In der Kolumne „Meine ReiseZutaten“ philosophieren wir über Gott und die Reisewelt. Welche guten Zutaten braucht eine Reise? Was versalzt uns gerne mal die Reise-Suppe? Und wann denken wir: „Wer bitteschön hat denn DAS bestellt?“ In Folge 24 dreht sich alles um Roadtrips.
Heute hier, morgen dort. Hannes Wader kann nicht irren. Eine Hymne an die Menschen mit den Hummeln im Hintern.
An die Herumtreiber, die nach 5 Tagen am selben Fleck schon Panik bekommen, dass sie woanders was verpassen könnten. Und dann wieder losziehen.
Aufbruch, Ankommen, Aufbruch, Ankommen, Aufbruch, Ankommen: So ging schon immer der Takt des Nomaden.
Auch des modernen. Ein Lebensentwurf als Alptraum jedes Häuslebauers mit zwei Kindern, der brav 30 Jahre lang seine Hütte abbezahlt und noch nie länger als zwei Wochen am Stück von zu Hause weg war. Und dann meist in geschützten Anlagen ohne Gefahr von zu viel Kontakt zu ausländischen Wesen.
Doch warum tun Menschen so etwas? Ich behaupte:
Nachdem unsere Vorfahren über Jahrmillionen herumgezogen sind, steckt uns das allen noch ganz fest in den Genen. Die 10.000 Jahre Sesshaftigkeit sind ein Mückenschiss dagegen.
Die Zeit hat nicht annähernd gereicht, um unser Roadtrip-Gen nachhaltig in Richtung Home sweet Home zu verändern. Zumindest mein Gen nicht.
Damit ist klar: Wer herumzieht, ist kein Spinner, sondern lebt nur seinen natürlichen Drang aus. Einen Drang, den seine Mitmenschen aufgrund der Domestizierung gar nicht mehr zu haben glauben. Und genau genommen auch zu bequem dafür sind.
Warum auch die gepflegten 130 Quadratmeter Staufläche gegen einen Rucksack, ein paar Fahrradtaschen oder Hängeschränke im Wohnmobil eintauschen?
Unterwegs ist einfach kein Platz für die gut geordnete und sortierte Müllhalde, die sich über all die Jahre angesammelt hat.
Wie befreiend dagegen, on the road mit dem Nötigsten auskommen zu müssen. Und festzustellen: Das reicht. Wobei in Hinsicht auf den Stauraum fairerweise durchaus zwischen dem Minimalismus des Backpackers und dem 12-Meter-Schlachtschiff mit einparkbarem Smart unterschieden werden sollte.
Wer sich für ein halbes Jahr Vorräte an deutscher Hausmacher-Leberwurst, Lyoner und Schnitzel in die 300-Liter-Gefriertruhe des Womos legt, hat gedanklich halt einfach nur sein Reihenhaus im Gepäck.
Doch warum sind Roadtrips so beliebt?
Warum gehen die Buchungszahlen bei dem Reisemobilen durch die Decke, sodass selbst die abgehalftertsten Rostkisten noch zu Preisen eines stattlichen Mittelklasse-Neuwagens über den Tisch gehen?
Ganz einfach: Weil es die Maximierung äußerer Freiheit darstellt, jeden Tag seinen Wohnort neu aussuchen zu können. Je nach Wetter, Strand, Nachbarn, Aussicht, Einkaufsmöglichkeiten oder Geruch der nahe gelegenen Schweinefarm.
Weil so aus einem geplanten Tag gerne mal 4 Wochen werden. Und aus 4 geplanten Wochen ein Tag. Diese Flexibilität spült Leben in die Adern. Wer unterwegs ist, wird quasi dazu gezwungen, immer wieder Neues zu entdecken.
Sieht man von den Überwinterern im Süden ab, die sich monatelang nicht vom Fleck bewegen und als maximale Aufregung mal bei Lidl statt Aldi einkaufen.
Keinen Zwang, irgendwelche Gruppenexkursionen mitmachen zu müssen, wenn der Reiseleiter ne Katastrophe ist. Jeden Tag das eigene, ungebundene Leben mit neuen Eindrücken und neuen Erfahrungen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Roadtrips füllen den Teil von Abenteuerlust in unserer Seele, die von der Bequemlichkeit der modernen Zeit verschüttet worden ist.
Sie sorgen sogar für einen großartigen Erfahrungsschatz bei Dingen, die man gar nicht erfahren wollte: Mückenschwärme in finnischen Plumpsklos, singende Abfalleimer in Belgien oder Seekrankheit bei Fahrten über die Straßen der Isle of Islay.
Roadtrips erweitern den Wortschatz in vielen Sprachen und beseitigen über kurz oder lang jegliche Kommunikationshemmung. Ist eh nicht möglich, alle Sprachen der befahrenen Ländern zu beherrschen. Dann hilft halt der gute alte Mr. Kauderwelsch.
Ein Leben ohne Roadtrips wäre ein ärmeres Leben. Auch ärmer an Körpergerüchen.
Ich gestehe: Die Sehnsucht nach einer richtig langen, schönen, heißen Dusche statt der Katzenwäsche oder dem Sprung in den eiskalten See erlischt auch nach 100.000 Roadtrip-Kilometern nicht.
Damit gilt wie auch sonst im Leben: Vorfreude ist die schönste Freude. Irgendwann kommt auch der Duschtag. Und alles wird gut.