Vom Smartphone zur Spiegellosen – es folgt ein kleiner fotografischer Werdegang.
Im Jahr 2011 habe ich damit angefangen, ernsthaft mit dem Smartphone zu fotografieren. Das war damals mein erstes iPhone, das mit der Nummer 4. Damit ist erfahrenen Fotografierenden klar, dass die Ergebnisse nur bei Tageslicht brauchbar waren. Das habe ich gemerkt, als in Paris meine damals schon alte digitale Spiegelreflex-Kamera (Fuji Finepix S2Pro) ihren Geist aufgab und nur noch bunte Streifen vom Sensor in die Bilddatei kamen. Die iPhone-Fotos, die ich notgedrungen abends vom Eiffelturm rauf und runter machte, waren eher zweifelhafter Qualität – aber man nimmt, was man kriegt. Auch der Nachfolger jener Spiegelreflex-Kamera – eine Nikon D200 – lebte nur wenige Jahre, und seit Januar 2016 fotografierte ich nur noch mit dem iPhone – vom 5s zum 7er, dann zum 11Pro.
Der Wunsch nach einer „richtigen“ Systemkamera
Auch wenn die iPhone-Bildergebnisse von Modell zu Modell immer besser wurden, und immer mehr neue Features hinzukamen, blieb doch der Wunsch im Hinterkopf, mal wieder mit einer „richtigen“ Kamera zu fotografieren. Die Handhabung einer echten Kamera – ob Spiegelreflex oder Spiegellose – ist immer noch anders als die eines Smartphones, auch wenn es für Telefone unzählige Aufsätze, Gehäuse und Griffe gibt. Ein modernes Smartphone hat beeindruckende Bild-Optimierungsalgorithmen an Bord, die aus fast jedem Motiv wirklich gute Ergebnisse zaubert. Auch bieten Porträt-Modi die Möglichkeit, immer bessere Porträts mit künstlich berechneter Hintergrundunschärfe zu erzeugen. Aber all diese Techniken kommen – noch – schnell an ihre Grenzen; sei es bei wild abstehenden Haaren oder Körperhaltungen, bei dem man durch die angewinkelten Arme durchblicken kann, und die dann teilweise eben nicht korrekt unscharf gestellt werden. Echte optische Effekte wie Hintergrundunschärfe lassen sich eben nur bis zu einem gewissen Grad künstlich simulieren.
Auch bei Nahaufnahmen kann die Systemkamera punkten – die weiche Unschärfe im Vorder- und Hintergrund eines Objekts lässt dieses optisch deutlich herausstechen.
Beim Fotografieren mit dem Smartphone kommt leider noch ein Pferdefuß dazu:
Smartphone: Der Faktor Ablenkung
Bei einem Smartphone als Kamera besteht leider immer die Gefahr, sich von Messengern, E-Mails, Twitter und anderen Apps ablenken zu lassen, auch wenn man eigentlich nur ein Foto machen wollte. Das kennt man ja, wenn man „nur kurz“ nach der Wettervorhersage schauen wollte…
Eine richtige Kamera bietet da weniger Ablenkungspotenzial vom Fotografieren. Klar, wenn die Kamera gerade neu ist und man sie erst kennenlernt, klickt man sich öfter durch alle Menüs und Einstellungen, aber das lässt im Laufe der Zeit nach; besonders wenn man viel benötigte Funktion auf spezielle Funktionstasten legt.
Das bringt mich zu einem weiteren Aspekt meiner Betrachtung:
Systemkameras: Die Bedienung
Selbst einfache Systemkameras, teilweise ohne elektronischen Sucher, haben zumindest ein, wenn nicht mehrere Einstellräder oder Knöpfe. Damit wechselt man zwischen verschiedenen Betriebsarten (Programmautomatik, Zeit- oder Blendenautomatik, manuelle Einstellung usw.). Größere Modelle haben zusätzliche Einstellräder vorne am Handgriff oder hinten beim Daumen, die darüber die direkte Blenden- oder Zeitwahl ermöglichen. Viele FotografInnen nutzen gerne diese Möglichkeit der Belichtungssteuerung, die Smartphones gar nicht bzw. nur sehr eingeschränkt oder über separate Apps bieten. (Smartphones haben bislang übrigens keine verstellbare Blende, d.h. eigentlich werden alle Fotos mit „Offenblende“ gemacht. Die Belichtung wird gesteuert über die Verschlusszeit und die ISO-Empfindlichkeit.)
Einige Kamera-Hersteller wie Fuji haben Modelle im Programm, deren Einstellräder wirklich ganz klassisch daher kommen, mit der Wahlmöglichkeit von Verschlusszeiten und „echten“ Blendenringen am Objektiv. Von der Optik und der Bedienung her meiner Meinung nach sehr attraktiv!
Die zuvor genannten Schnellwahl- oder Funktionstasten lassen sich bei vielen Systemkameras individuell belegen, z.B. mit verschiedenen Autofokus-Modi, der ISO-Einstellung und anderen Dingen.
Und das Fotografieren durch den Sucher – ob elektronisch oder optisch – ist meiner Meinung nach eine andere Erfahrung, als das Blicken aufs Display, das man in Armlänge vor sich hält. Natürlich geht das auch mit jeder Spiegellosen, aber dort gibt es eben oft auch die Möglichkeit, das Display zu klappen oder zu schwenken, um aus ungewöhnlichen Perspektiven zu fotografieren. Oder man klappt das Display nach vorne und kann sich selber sehen, was besonders bei Videoaufnahmen praktisch ist.
Die Spiegellose: Der Kauf
Anfang 2022 war es dann soweit und ich habe mir eine Panasonic LUMIX G81 (*) gekauft, dazu ein (gebrauchtes) leichtes Porträt-Teleobjektiv von Olympus (45mm, F 1.8), später kam noch ein 15-45mm Standardzoom dazu. Ein nicht mehr ganz taufrisches Modell, aber dennoch sehr gut ausgestattet in dieser Preisklasse (ca. 500 € ohne Objektiv) und durch das MicroFourThirds-System mit einer sehr großen Objektivauswahl. Sowohl bei Panasonic als auch bei Olympus / (bzw. seit kurzem OM-Systems genannt) findet sich ein ganzer Zoo von Objektiven verschiedenster Bauart, von einfach bis hochklassig.
Die Wahl auf das 45mm-Tele war mir wichtig; dieses Objektiv hatte ich schon eine ganze Zeitlang im Visier, und es liefert wirklich schöne Bilder. Es ist klein, leicht und unauffällig.
Später wird noch ein Tele-Zoomobjektiv dazukommen; höchstwahrscheinlich im Bereich 100-300mm Brennweite (KB-Bildwinkel entspricht 200-600mm!)
Eine andere Art des Fotografierens
Segen und Fluch zugleich – wenn man jahrelang mit dem Smartphone fotografiert hat, ist der Umstieg auf eine Systemkamera doch deutlich zu merken. Viele Dinge, die man früher besser drauf hatte, muss man nun wieder beachten: Die korrekte ISO-Einstellung (oder das Beschränken der ISO-Automatik auf vernünftige Grenzen), der richtige Weißabgleich und auch die passende Art der Automatik.
Bei meiner Panasonic Lumix G81 gibt es sowohl die klassischen Programm-, Zeit- und Blendenautomatiken, aber auch eine Einstellung namens „iA“. Und im Gegensatz zum sprichwörtlichen Esel soll diese Automatik „intelligent“ sein und Szenen automatisch erkennen. Also Gegenlicht, Nachtaufnahmen und andere schwierige Lichtsituationen. Das kann die richtige Belichtungsmethode für ein Motiv sein, muss es aber nicht. Ich habe zu Beginn schon Ergebnisse bekommen, die nicht optimal die gegebenen Lichtverhältnisse abgebildet haben; da wäre ich mit einer gewöhnlichen Programmautomatik zu besseren Ergebnissen gekommen.
Die Charakteristika all dieser Automatiken und welchen Bildstil sie produzieren, muss man erst mal kennenlernen. Ich empfehle daher nicht, z.B. direkt vor einer längeren Urlaubsreise eine neue Systemkamera zu kaufen und dann Wunder zu erwarten – die gibt es zwar immer wieder, nur vielleicht nicht so, wie man sie sich erhofft hat. Enttäuschung über nicht optimale Ergebnisse kann sich dann leicht einstellen. Besser ist es, die Kameraausrüstung erst einmal richtig kennenzulernen und auszuprobieren. Was wie funktioniert, wo man die Autofokus-Messfelder umstellt, und wann das Sinn ergibt – all das hilft, das Maximum aus dem neuen Gerät herauszuholen und selber viel dazuzulernen.
Vom Smartphone zur Spiegellosen – ein Fazit
Hat sich der Umstieg gelohnt? Für mich auf jeden Fall ja! Ich habe wieder mehr Spaß am Fotografieren, neue Ideen und leider auch neue Wünsche – das Stichwort hierzu ist „G.A.S.“ – Gear Acquisition Syndrome. Muss das sein, um besser zu fotografieren? Natürlich nicht. Fotografisch dazulernen kann man auch mit dem Smartphone. Aber wenn man das Fotografieren auf die althergebrachte Art und Weise liebt, ist es etwas was man tun kann. Hier geht um einen bewussten Schritt hin zu mehr Nachdenken und Handarbeit bei der Fotografie, und nicht darum, sofort den „perfekten“ Schnappschuss einzufangen – dazu kann und darf man (auch weiterhin) das Smartphone nehmen!