In der Kolumne „Meine ReiseZutaten“ philosophieren wir über Gott und die Reisewelt. Welche guten Zutaten braucht eine Reise? Was versalzt uns gerne mal die Reise-Suppe? Und wann denken wir: „Wer bitteschön hat denn DAS bestellt?“ In Folge 17 dreht sich alles um die Natur.
Meine ReiseZutaten (17): Natur
Ist jemals ein Mensch von einem Städtetrip zurückgekehrt und hat freudestrahlend erzählt: „Mann, bin ich ausgeruht! Diese langen Spaziergänge durch überfüllte Straßen, Museen und Einkaufscenter waren Balsam für meine Seele und haben mich mal so richtig runtergebracht. Ich hab so viel Energie, ich könnte Bäume ausreißen.“?
Falls ja, würde ich den Betreffenden direkt an einen Lügendetektor anschließen. Städtereisen sind purer Stress. Das liegt ganz einfach an der speziellen Energie der Großstädte: laut, hektisch, schnell, wichtig und aggressiv.
Ganz ehrlich: Wer braucht das auf Reisen, wenn schon der Alltag meist aus diesem Fünfkampf besteht?
Was also tun? Hinaus mit euch!
Möchte ich zumindest allen zurufen, die samstags bei bestem Wetter im städtischen Einkaufsparadies herumhasten. Was ich selbst da zu suchen habe? Artikel recherchieren natürlich.
Die beste Art, seine Reisen zu verbringen, ist draußen in der Natur. Dort, wo wir herkommen und hingehören.
Wo keine Werbetafeln blinken, keine Lastwagen dich in Dieselwolken hüllen, keine gestresste Managerin dir ihren Latte-to-go in den Kragen schüttet, weil sie dich wegen exzessiver Smartphone-Tipperei glatt übersehen hat.
Kein Aal-Dieter, keine grölenden Fußballfans, keine kotzenden Bierzeltbesucher.
Einfach nur Weite, Ruhe, frische Luft und die Kraft der Erde.
Hinspüren statt betäuben. Oder warum bekommen die meisten Menschen ein Leben lang Gänsehaut, wenn sie an ihre Übernachtung im Safari Camp denken, umgeben von den Geräuschen wilder Tiere? Und warum ist im Gegenzug die x-te Partynacht auf Ibiza genauso schnell wieder aus dem Gedächtnis gelöscht wie das Gesicht der Tagesabschnittsgefährtin?
Ja, es stimmt, die Natur strengt an. Zwingt uns aus dem gewohnten Korsett. Fördert unsere Fantasie. macht auch mal Angst. Und vor allem lebendig.
Nichts gegen die sagenhafte Grupendynamik von Kulturreisen, bei denen die Hormone überschießen angesichts der 47. Kirche in 36 Stunden.
Doch was ist das gegen eine Übernachtung im Wald oder auf dem Berg, nur mit Isomatte und Schlafsack? Gegen eine Woche Segeltörn? Gegen eine Alpenüberquerung zu Fuß? Gegen eine Fahrradtour bis zum Balkan? Gegen Surfen im portugiesischen Atlantik oder Klettern in Griechenland?
Draußen sind wir den Naturkräften ausgeliefert.
Draußen finden die echten Abenteuer statt.
Draußen können wir endlich all unsere Sinne gebrauchen.
Draußen können wir so viel über uns erfahren, was wir drinnen immer verdrängt haben.
Wobei ein kleiner Warnhinweis erlaubt sei: Es könnte sein, dass einem nach einer ausgiebigen Reise durch die Natur die Normalität unseres Alltags vorkommt wie das Treiben von Außerirdischen.
Das Pendel könnte auch auf die andere Seite ausschlagen. Wenn jemand mal drei Wochen durch den kalten norwegischen Regen gewandert ist und das Wort Trockenheit nur noch aus dem Duden kennt, dann bucht er vielleicht für den Rest seines Lebens nur noch Wellnes-Hotels.
Denn die Natur ist kein Ort für andauernde romantische Verklärtheit. Sie ist ständige Bedrohung, Herausforderung und Glücklichmacher zugleich. In welchen Anteilen das passiert, entzieht sich ausnahmsweise mal völlig dem menschlichen Einfluss.
Ist das nicht schön? Ist das nicht ganz schön erschreckend?
Ist ein Lawinenabgang, der die Zufahrtsstraße in den Skiort blockiert, ein Segen, weil sich dadurch unverhofft der Urlaub verlängert? Oder ein Fluch, weil das umtriebige Menschlein schon längst auf dem super wichtigen Business-Meeting sein wollte und in all seiner Wichtigkeit jetzt ausgebremst wird?
Oder einfach nur ein gutes Foto fürs Album? Das darf jeder selbst bewerten.