Andrea David aus Hamburg liebt Filme und Reisen. Leidenschaftlich gerne verbindet sie das eine mit dem anderen. Seit über 10 Jahren reist sie auf den Spuren sehenswerter Filmschauplätze auf der ganzen Welt. So entstand bereits vor einigen Jahren die Datenbank Filmtourismus.de die stetig wuchs und heute Drehortinfos zu über 300 Filmen und Serien umfasst. Wir haben Deutschlands bekannteste Filmtouristik-Bloggerin nach der Faszination ihres Hobbys Filmtourismus befragt.
Hallo Andrea, zum Start gleich die Frage nach Huhn oder Ei: Gab es zuerst deine Begeisterung für Filme, die dich zu den Drehorten geführt hat oder wurde durch den Filmtourismus erst deine Begeisterung für Filme geweckt? Oder gehst du möglicherweise gar nicht so gern ins Kino?
Andrea: Ich war schon als Kind riesiger Filmfan! Einer meiner ersten Kinofilme war „Zurück in die Zukunft“, den liebe ich noch immer.
Die ersten Drehorte habe ich bei einer Schottland-Reise mehr zufällig entdeckt – darunter Schauplätze aus Braveheart, Highlander, Ritter der Kokosnuss – war aber da schon sehr fasziniert, wie intensiv und vertraut diese Orte auf einen wirken, wenn man sie schon aus einer filmischen Geschichte kennt. Während meines Tourismus-Studiums habe ich dann auf der Suche nach einem spannenden Thema beschlossen, meine Abschlussarbeit über „Filmtourismus“ zu schreiben. Da hat es mich dann auch endgültig gepackt …
Ins Kino gehe ich heute immer noch super gerne. Daneben schaue ich viele Serien, weil diese mittlerweile einfach unfassbar gut gemacht sind.
So ähnlich, wie seine Lieblingsband live zu erleben
Worin liegt die große Faszination des Filmtourismus für dich? In der Zeit, während der du Filmkulissen ansiehst, könntest du auch Surfen, Bergwandern oder faul am Pool liegen …
Andrea: Filme kreieren Sehnsuchtsorte. Diese einmal selbst zu erleben, hat für mich etwas Magisches. Man kann es vielleicht damit vergleichen, seine Lieblingsband endlich einmal live zu erleben oder auch den Handlungsort seines Lieblingsbuches zu bereisen.
Sich auf filmische Spuren zu begeben, heißt ja aber Gott sei Dank nicht, nur mit dem Auto von einem Punkt zum anderen zu fahren. Auf meinen Reisen wandere ich beispielsweise sehr viel durch die Landschaft und mache natürlich auch oft das, was andere Touristen tun. 🙂
Faul am Pool liegen ist aber ehrlich gesagt nicht so mein Ding …
Wie verbreitet ist das Phänomen überhaupt? Gibt es konkrete Zahlen, wie viele Menschen in Sachen Filmtourismus jährlich unterwegs sind? Welche Nationen sind hier besonders aktiv?
Andrea: Laut einer Studie reisen weltweit jährlich 50 Millionen Menschen inspiriert durch Filme. Auffallend viele Filmtouristen kommen dabei aus Asien. Man sagt, diese seien besonders „filmsensitiv“. Tatsächlich habe ich selbst schon viele Inder und Koreaner getroffen, die sich brennend für Filmschauplätze interessieren. Es scheint also etwas dran zu sein.
Wahrscheinlich ist es nicht immer ein Segen, wenn eine zauberhafte Ecke dieser Welt nach einem erfolgreichen Kinofilm plötzlich überrannt wird …
Andrea: Da fällt mir sofort die Bucht aus dem Film „The Beach“ in Thailand ein. Der Strand ist wirklich traumhaft schön, aber es ist absolut verrückt, wie viele Menschen jeden Tag dorthin kommen, selbst in der Nebensaison. Durch den Film hat der Strand eine unglaubliche Berühmtheit erlangt, auch wenn vermutlich ein Großteil der Besucher den Film selbst gar nicht gesehen hat. Hier sollte man meiner Meinung nach dringend die Touristenzahlen pro Tag begrenzen. Andere beliebte Drehorte, wie das Highclere Castle in England, das durch die Serie „Downton Abbey“ weltberühmt wurde, handhaben das schon so.
Wichtigste Regel beim Filmtourismus: Privatsphäre anderer achten
Auf deiner Seite findet sich ein Knigge für Filmtouristen. Was sind deiner Meinung nach die wichtigsten Anstandsregeln?
Andrea: Am wichtigsten ist es, die Privatsphäre anderer zu achten. Zu den Filmschauplätzen gehören häufig private Wohnhäuser, da sollte man lediglich einen dezenten Blick von der Straße aus werfen und das Grundstück nicht betreten, Fotos von den Besitzern sowieso immer nur mit deren Einverständnis schießen. Manche Leute wissen ja selbst gar nicht, dass sie an oder in einem Drehort wohnen. Zurückhaltung schadet also nie. Wenn man Glück hat, erfährt man von den Bewohnern aber hin und wieder auch lustige Anekdoten zum Dreh.
Gibt es klassische Filmtourismus-Hotspots? Und kannst du Geheimtipps empfehlen, die noch nicht überlaufen sind?
Andrea: Klassische Spots für Filmtouristen sind Berlin, London, Rom, Paris und New York. In allen Städten kann man an speziellen Touren an Drehorte teilnehmen, teilweise kann man sich die passenden Filmszenen dazu im Bus ansehen. Wer sich auf eigene Faust auf die Suche macht, entdeckt noch einmal ganz andere Ecken einer Stadt.
Viele Filmfans zieht es natürlich nach Los Angeles, da man dort in fast allen großen Studios hinter die Kulissen blicken kann. Allgemeine Geheimtipps sind schwierig, da es immer davon abhängt, welche Filme und Serien der Einzelne denn kennt und mag. Eine schöne Überraschung war für mich jedoch z.B. der Katthult Hof aus „Michel aus Lönneberga“, in Wahrheit Astrid Johannsson Gård im schwedischen Gibberyd. Die Gebäude sind auch nach über 40 Jahren noch alle so erhalten, wie man sie aus der Serie kennt, sogar der Tischlerschuppen, in dem Michel seine Holzmännchen schnitzte und über seinen Unfug nachdachte.
Nationalparks, Wüste Wadi Rum, Highlands: Faszinierende Drehorte
Welche Drehorte, Regionen und Landschaften haben dich am meisten auf deinen Touren fasziniert?
Andrea: Am meisten geflasht haben mich die Landschaften der Nationalparks in den USA, von denen ja fast alle schon einmal als Drehort für einen Film genutzt wurden und ich schon viele vor meinem Besuch von Leinwand oder Bildschirm kannte, teilweise schon seit meiner Kindheit, wie z.B. das Monument Valley aus zahlreichen Western. Aber auch die Felseninseln von Krabi in Thailand, die Wüste Wadi Rum in Jordanien und die schottischen Highlands sind absolut atemberaubend. Nicht umsonst sind das beliebte Filmlocations.
Bist du ein sehr visueller Mensch, das heißt, siehst du dich an manchen Drehorten plötzlich als Teil des Films und tauchst ganz tief ein oder bist du eher der Beobachter?
Andrea: Tatsächlich hatte ich schon an vielen Drehorten so ein „Wie-im-Film-Gefühl“. Manchmal kriege ich dann auch Stunden später die Filmmusik nicht wieder aus dem Kopf.
Ich beobachte jedoch super gerne auch andere Touristen und wie diese den Drehort wahrnehmen. In London bin ich mal eine ganze Zeit bei der blauen Tür, die durch den Film „Notting Hill“ berühmt wurde, rumgestanden und habe mir das muntere Treiben angeschaut, wie die Leute dort ankamen, sich davor fotografierten und wieder gingen. Ein paar habe ich auch angesprochen wie z.B. eine Familie aus Indien, bei denen es überraschenderweise der Vater war, der unbedingt an diesen Ort wollte. Mich fasziniert, was für eine Anziehungskraft von den Drehorten ausgeht, und wie happy die Menschen sind, wenn sie es dann wirklich hinschaffen und etwas wiedererkennen.
Als ich das Foto von dir vor dem Camper von „Breaking Bad“ gesehen habe, hatte ich ein klein wenig Gänsehaut und dachte: „Wow, darin haben die ihr Crystal Meth gekocht.“ Ist so was eine typische Reaktion?
Andrea: Ja, absolut! 🙂 Das ist eben nicht mehr einfach nur ein Fahrzeug, sondern steht nun in Verbindung mit einer bestimmten Story. Auch die Drehorte werden sozusagen mit einer filmischen Aura aufgeladen, manche sind durch Filme überhaupt erst auf der touristischen Landkarte aufgetaucht. Aus Bauruinen werden mystische Orte, aus alltäglichen Plätzen werden Tatorte oder Schauplätze romantischer Szenen. Eine Betontreppe in Philadelphia wurde durch „Rocky“ zum Symbol, alles erreichen zu können und gehört heute zu den Hauptattraktionen der Stadt.
Dieser Perspektivenwechsel ist das Reizvolle an Reisen zu Drehorten. Wenn du irgendwo Touristen an einem scheinbar unbedeutenden Ort siehst, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass es sich um einen Filmschauplatz handelt. Für die einen eine Sehenswürdigkeit, für die anderen eben ohne Bedeutung.
Den Filmstars ganz nahe
Für dich wird alles noch realer, weil du durch deine Arbeit inzwischen persönlichen Kontakt zu Schauspielern hast. So durftest du beispielsweise Matthias Schweighöfer und Florian David Fitz zu ihrem Film „Der geilste Tag“ interviewen. Wie ist es, plötzlich zur Szene dazuzugehören?
Andrea: Es macht unheimlich großen Spaß, wobei ich mich unter Filmleuten nach wie vor als Zaungast und nicht als Teil der Szene sehe. Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie viel Arbeit hinter einem Film oder einer Serie steckt. Das steigert natürlich dann auch meine Wertschätzung gegenüber einzelnen Produktionen. Als Filmkritiker tauge ich nur stellenweise, da ich oft viel zu euphorisch bin. Das zeichnet aber wohl die meisten Filmtouristen aus. 😉
Ich freue mich jedenfalls riesig, wenn auch die Filmemacher und Stars sich für meine Fotos und Recherchen interessieren.
Mehr als 80.000 Besucher pro Monat auf deinem Blog und viele Kooperationsanfragen zeigen, dass du mit deinem Thema voll in Schwarze getroffen hast. Bist du selbst ein wenig vom Erfolg überrascht?
Andrea: Ja und nein. Dass das Thema seine Anhänger findet, davon war ich eigentlich schon immer überzeugt, sonst hätte ich weder meine Diplomarbeit darüber geschrieben, noch hätte ich Filmtourismus.de ins Leben gerufen. Seit einigen Jahren mache ich selbst mit Fachvorträgen, Interviews und Workshops Lobbyarbeit für das Phänomen Filmtourismus, von daher freut mich natürlich die positive Entwicklung.
Überrascht und geflasht bin ich jedoch regelmäßig, welche Türen sich bei dem Thema plötzlich öffnen, was für Einladungen so ins Haus flattern und welche Stars und Medien sich dafür interessieren.
Filmtourismus wird nie langweilig
Wenn eine Leidenschaft so viel Arbeit mit sich bringt, kann die Stimmung auch kippen. Besteht bei dir die Gefahr, dass dich der Filmtourismus mal richtig nervt?
Andrea: Manchmal wundert es mich selbst, dass ich auch nach 10 Jahren immer noch richtig Bock auf das Thema habe. Das liegt aber vermutlich auch daran, dass es ja immer wieder neue tolle Filme und Serien sowie spannende Drehorte gibt. Es wird nie langweilig!
Was bei mir die Stimmung ab und zu zum Kippen bringt, sind allerdings Redakteure, die sich ungefragt an den Inhalten von Filmtourismus.de bedienen und diese als ihre eigenen ausgeben. Das nervt schrecklich …
Da ich mittlerweile soviel beruflich an Drehorte komme – früher waren es ja fast ausschließlich private Reisen – versuche ich, einen Teil meines Urlaubs auch mal an Orten zu verbringen, die gar nichts damit zu tun haben. Wobei ich dann oft zufällig über Drehorte stolpere. 😉
Ich selbst war im Film „Der geilste Tag“ und völlig geflasht von den unfassbar schönen Landschaftsbildern Südafrikas. Danach war mir klar: Da muss ich unbedingt mal hin. Bin ich jetzt auch in die Falle des Filmtourismus getappt und hoffnungslos verloren oder besteht noch Chance auf Heilung?
Andrea: Haha, du hast jedenfalls die erste Stufe erreicht, da der Film dich inspiriert hat, selbst dorthin zu fahren. 100%iger Filmtourist wirst du, wenn du jetzt nicht nur nach Südafrika, sondern auch noch genau an einen bestimmten Drehort aus dem Film reist. Ich bin gespannt!
Interview: Mischa Miltenberger
Fotos: Andrea David/Filmtourismus.de
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