Kolumne Wifi, Internet auf Reisen

Kolumne: Wifi-Junkie sucht Dealer

In der Kolumne „Meine ReiseZutaten“ philosophieren wir über Gott und die Reisewelt. Also genauer gesagt hauptsächlich über die Reisewelt und alles, was dazu gehört. Welche guten Zutaten braucht eine Reise? Was versalzt uns gerne mal die Reise-Suppe? Was lässt uns vor Hochgenuss jubilieren? Und wann denken wir: „Wer bitteschön hat denn DAS bestellt?“ Immer gewürzt mit einer Prise schwarzen Humors und politischer Unkorrektheit. In Folge 4 dreht sich heute heute alles ums Internet.

Meine ReiseZutaten (4): Internet

Unauffällig rollt der schwarz-verspiegelte VW Bus rückwärts in die letzte freie Parklücke vor dem Hotel in Bowmore. Der Fahrer fühlt sich unbeobachtet. Hier, in der rund 1000 Einwohner fassenden Hauptstadt der Isle of Islay ist bei typischem Schottenwetter niemand auf den Straßen zu sehen. Nicht einmal eins der 30.000 Schafe.

Somit kann die Mission „Free Wifi“ ungehindert anlaufen. Klapptisch hoch, Rechner an, 2 Balken Ausschlag. Läuft.

Wie gut, dass der Router so nah am Hotelausgang angebracht ist. Und das Passwort noch dasselbe wie beim letzten Besuch in der Lobby.

Wer nicht jedesmal Bier trinken und gefüllten Schafsmagen essen will, um ins Netz zu kommen, muss sich hier in der nordbritischen Prärie etwas einfallen lassen. So wurde ich an besagtem Nachmittag zwei Stunden lang zum Geheimagenten in Sachen Wifi, zum gemeinen Internetverbindungs-Abgreifer.

Zu gerne würde ich behaupten, dass ich auf Reisen froh über ein paar Tage (Zwangs-)Pause vom Datenverkehr bin. Dass ich solche Aktionen wie oben beschrieben gar nicht nötig habe. Doch das wäre a) trotz aller guten Vorsätze glatt gelogen und b) ziemlich schlecht für meinen Kontostand. Wer für ortsunabhängige Arbeit bezahlt wird, braucht zwei Dinge: einen Laptop UND Internet.

Ehrlich gesagt ist es aber völlig egal, ob ich arbeite oder mir ein paar Tage frei nehme.

Die Wifi-süchtige Hand führt an jedem neuen Ort das Smartphone mit zittrigen Fingern gen Gesichtsfeld. Beruhigung tritt erst ein, wenn das Display funktionierendes WLAN signalisiert.

Wir modernen Reisenden hängen an der Internet-Nadel. Die Router sind unsere Dealer.

In der Theorie könnten wir auf Reisen wunderbar Abstand von all dem gewinnen, was uns im hektischen Alltag schon lange auf den Sack geht. Endlich mal keine Mails vom Chef, keine Infos vom Fußballverein, kein Social-Media-Gedöns, keine Kurznachrichten von den Nachbarn. Kurz gesagt: kein Stress. Doch wie war das noch gleich mit dem Unterschied zwischen Theorie und Praxis?

Wer hat eigentlich all die Apps erfunden, mit denen wir die gebündelte Sinnlosigkeit die unersetzliche Hilfe des technischen Fortschritts noch in den hintersten Winkel dieser Erde transportieren?

Die uns davon abhalten, mal den Kopf hochzunehmen und echte Menschen um Rat zu fragen – und nicht Google Maps oder Tripadvisor?

Nicht, dass man aus Versehen mal dank eines Locals an einen echten Geheimtipp gerät und nicht an das, was der Durchschnitt der anderen Reisenden dafür hält. Oder sich gar fallen lässt, so ganz ohne Kontrolle, durch unbekanntes Terrain treiben, um einfach mal zu schauen, wo einen die eigene Intuition hintreibt.

Genug der romantisch-verklärten Träumerei! Es gilt zu akzeptieren, dass Free Wifi auf der Grundstufe der Bedürfnispyramide angekommen ist. Folglich von der Wichtigkeit gleichzusetzen ist mit Essen, Trinken, Schlafen, Sex. Wer sich jetzt fragt, wie man ohne Internet überhaupt an Essen, Trinken, Schlafen und Sex denken kann, ist wohl schon eine Stufe weiter.

Überhaupt hat das Internet gerade für Reisende eine neue Evolutionsstufe eingeleitet.

Früher saßen ganze Familien rund um den Campingtisch, beugten ihre Köpfe über die Game Boys und daddelten den ganzen Tag. Heute sitzen sie über ihre Smartphones gebeugt und daddeln den ganzen Tag.

Ach Fortschritt, wie gesegnet bist du. Wer in der digitalen Welt zuhause ist, für den sieht eben auch auf Reisen jedes Wohnzimmer gleich aus.

Jetzt aber genug der Plauderei. Ich muss noch Strandfotos bei Facebook und Instagram einstellen. Wetter soll ja gut bleiben, sagt die App. Und Muddi skyped mich gleich an.

Schöne neue Welt. Nicht immer free, aber ganz schön Wifi.

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