Nicaragua, beach in San Juan del Sur

Nicaragua – ein Paradies im touristischen Dornröschenschlaf

Nicaragua? Da sind sie wieder die Bilder vom blutigen Guerillakrieg mit 30.000 Toten. Ein Land im Chaos, um das man besser einen großen Bogen macht. Und dort kann man wirklich Urlaub machen, ohne um sein Leben fürchten zu müssen?

Ja, und zwar ohne Einschränkungen. Das Ende des Bürgerkriegs ist schon 25 Jahre her. Inzwischen gilt Nicaragua sogar als das sicherste Land Zentralamerikas noch vor dem reichen Nachbarn Costa Rica. Herumgesprochen hat sich das aber noch nicht im großen Stil. So lassen die meisten Menschen Nicaragua bei ihren Reiseplanungen immer noch außen vor.

Nicaragua ist das spannendere Costa Rica

Das ist das Glück all jener abenteuerlustigen Menschen, die sich schon in das größte Land Mittelamerikas gewagt haben. Wobei sich das Wagnis in Grenzen hält, wenn man ein paar einfache Sicherheitsregeln beachtet. Belohnt werden die Neugierigen mit einem noch kaum entdeckten Paradies, genau genommen dem spannenderen Costa Rica. Genauso schön wie das Nachbarland, aber noch viel ursprünglicher. Im Gegensatz zur „Schweiz Mittelamerikas“ mit Öko-Tourismus und hervorragender Infrastruktur muss in Nicaragua niemand Massentourismus befürchten.

Vulkan Momotobo nahe Leon, Nicaragua
Die ganze Pracht von Nicaragua in einem Bild festgehalten, hier der Vulkan Momotobo nahe Leon.

Der Reisende erlebt ein recht armes Land, das nicht mit Luxus-Herbergen, sondern mit traumhafter Natur glänzt. Er kann zwischen karibischen Traumstränden, unberührter Wildnis, Urwäldern, Vulkanen, großen Seen und Dschungelflüssen wählen. Und in den Städten herrliche Kolonialarchitektur und verschiedene Kunstschätze bestaunen. Er wird herzliche, hilfsbereite Menschen erleben und sich an den deutlich entschleunigten Rhythmus des täglichen Lebens gewöhnen.

In Managua gilt es gewisse Spielregeln zu beachten

Die Hauptstadt Managua mit ihrem Ballungsraum, in dem über 2 Millionen Menschen leben, lassen die meisten Reisenden nach ihrer Landung relativ schnell hinter sich. Zwar wurde sie vor nicht allzu langer Zeit von Interpol als sicherste Hauptstadt Zentralamerikas eingestuft. Aber hinsichtlich Diebstahl- und Raubdelikten gilt Managua noch immer als relativ gefährlich.

Touristen sollten nachts nicht allein auf der Straße herumlaufen und auch kein Taxi auf der Straße anhalten. Stattdessen können sie in Hotels nach den hauseigenen Taxis fragen, die sicher und unproblematisch sind.

Nationalpalast Managua Nicaragua
Blau-weiß weht die Nationalflagge Nicaraguas auf dem Nationalpalast in Managua.

Ganz in der Nähe von Managua wartet ein echtes Juwel: Die wunderbare Stadt Granada liegt zu Füßen des 1.345 Meter hohen Vulkans Mombacho am Lago Nicaragua. Sie wartet mit einem der schönsten Zentren spanischer Kolonialarchitektur auf.

Prächtige Paläste in Granada

In der Innenstadt finden sich Kirchen, Kathedralen, Häuser, Museen, Galerien und prächtige Paläste mit tropischen Gärten, die an die 300-jährige Zeit Granadas unter spanischer Krone erinnern. Neben dem speziellen Charme der Gebäude punktet der Ort mit seiner Lage am See. Kein Wunder, dass viele US-Amerikaner Granada als ihren günstigen und wunderschönen Ruhesitz auserkoren haben.

Yellow Church, Granada, Nicaragua
Granada mit seiner wunderschönen Kolonialarchitektur, hier die Yellow Church, ist definitiv einen Besuch wert.

Ein Ausflug zu den Iseletas ist fast ein Muss. Rund 400 kleine Inseln liegen im See vor Granada. Vor Tausenden von Jahren sind sie bei Ausbrüchen des Vulkans Mombacho entstanden. Bei einer Bootsfahrt durch die grüne Inselwelt lässt sich dieser stets vom Wasser aus bestaunen.

Nur 15 Kilometer Fahrt mit dem Chicken Bus entfernt wartet die Blumenstadt Masaya mit ihrem farbenfrohen Indianermarkt und Folklore.

Wer sich fragt, woher ein Chicken Bus seinen Namen hat, weiß spätestens nach der ersten Fahrt Bescheid. Wo so viele Menschen auf engsten Raum gezwängt werden, liegt der Vergleich mit einem Hühnertransport nahe. Ganz Mutige können es den Einheimischen nachmachen und auf dem Dach mitfahren, sollten dabei aber immer auf ihren Kopf Obacht geben.

Besser als im Chicken Bus lässt sich nirgends das pure Leben Nicaraguas aufsaugen. Hautnaher Kontakt zu den Einheimischen, Unterhaltung auf Spanisch oder mit Händen und Füßen, laute Musik, Lachen und den Wind im Gesicht. Das ist beste Unterhaltung zu kleinstem Preis.

Allein deshalb ist Busfahren in Nicaragua Pflicht. Grundsätzlich ist das Busnetz im ganzen Land sehr gut. Dass es auf den holprigen Straßen gerne mal etwas länger dauert, wird durch das Spektakel wettgemacht.

1000 Vulkane oder nur 25?

Im „Land der 1.000 Vulkane“ sind die nächsten Krater nicht weit. Genau genommen gibt es nur 25 Vulkane, die sich zwischen karibischem und pazifischem Tiefland aufbauen. Aber das reicht in dem kleinen Nicaragua mit seinen 6 Millionen Einwohnern schon, um einen ganz großen Namen zu bekommen. Einige davon sind heute noch aktiv, wie der Masaya, der sich 2012 das letzte Mal geregt hat. Zusammen mit dem Vulkan Nindiri liegt er im Vulkan Masaya Nationalpark und lässt sich dort am besten mit einem örtlichen Guide besichtigen.

Die Insel mit zwei Bergen gibt es wirklich!

Nur 100 Kilometer weiter südwestlich folgt der Beweis, dass es eine Insel mit zwei Bergen tatsächlich gibt. Sie heißt zwar nicht Lummerland, sondern Ometepe und liegt nicht im tiefen weiten Meer, sondern im riesigen Süßwassersee Lago de Nicaragua.

Ometepe mit seinen Vulkanen Concepción und Maderas
Ist das Lummerland? Ometepe mit seinen Vulkanen Concepción und Maderas.

Doch das ändert rein gar nichts an ihrer Beliebtheit. Wer sich Ometepe vom Festland mit der kleinen Fähre nähert, wird sich automatisch an die Geschichte von Jim Knopf und Lukas den Lokomotivführer erinnern. Ob die Insel mit den zwei Vulkanen Concepción (1.610 Meter) und Maderas (1.394 Meter) wirklich die Inspiration für den Song war, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben.

Wander- und Naturfreunden geht in der einzigartigen Landschaft auf alle Fälle das Herz auf. Und die rund 30.000 Bewohner Ometepes können stolz von sich behaupten, dass sie auf der weltweit größten Insel in einem Süßwassersee leben.

Surfer- und Strandparadies San Juan del Sur
San Juan del Sur ist ein Surfer- und Strandparadies – gerade für Backpacker.

Sportler und Backpacker verschlägt es ins nahe gelegene San Juan del Sur. Das ehemalige Fischerdorf bietet großartige Surfspots und wunderschöne Strände in einer bezaubernden tropischen Umgebung. In den Strandbars werden die Nächte durchgefeiert. Angesichts der moderaten Preise belastet das die Reisekasse noch nicht einmal besonders. Auch deshalb verändert Nicaragua seinen Status bei den Rucksackreisenden langsam von „Geheimtipp“ zu „Muss man unbedingt gewesen sein“.

Coole Bars und viele Studenten in León

Hip geht es auch in León zu. Viele Studenten, coole Bars und überall Musik prägen das Bild. Dank der 1813 gegründeten Universität entwickelte sich die Stadt mit seinen 180.000 Einwohnern zum intellektuellen Zentrum Nicaraguas. Die Sehenswürdigkeiten kolonialer Architektur reihen sich aneinander.

Kirche El Calvario in Leon
Bunt, hip, wunderschön: Das ist Leon, hier mit der Kirche El Calvario.

Wer genug gebummelt, gestaunt und fotografiert hat, lässt sich nieder und erfrischt sich an einem Batido, dem Fruchtshake aus frischem Obst, oder an einem Agua Dulce aus Wasser und Rohrzucker. Falls der Magen knurrt, wird mit fast 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit Gallo Pinto serviert, also Reis mit schwarzen Bohnen. Er ist die Grundlage von nahezu jedem Essen in Nicaragua.

Nationalgericht Gallo Pinto von morgens bis abends

Das geht oft schon beim Frühstück los, wenn die Reste vom Vortag nochmal gewürzt und angebraten werden. Und beim Mittag- und Abendessen geht es mit Gallo Pinto weiter. Zu den Grundnahrungsmitteln Reis und Bohnen gibt es durchaus eine größere Vielfalt an Gerichten mit Fisch, Meeresfrüchten, Hühnchen, Kochbananen oder auch Tortillas.

Mit mörderischem Tempo vom Cerro Negro ins Tal

Nahe León trennen sich die Wege von entspannten Wasserratten und Adrenalin-Junkies. Während die einen das pazifische Strandparadies Playa Poneloyazu genießen, zieht es die anderen zum Vulkan Cerro Negro. Aber nicht, um dort in den nächsten Kraterschlund zu schauen. Stattdessen geht es in mörderischem Tempo vom 700 Meter hohen Berg ins Tal.

Sandboarding nennt sich die Disziplin, wenn sich junge Menschen in orangefarbenen Overalls auf Brettern, die aussehen wie zu kurz geratene Bierbänke, den Berg hinunterstürzen. Je nach Können und Steilheit stehend, kniend oder sitzend.

Nicht selten geht der Ritt über scharfkantiges Lavagestein mit Schürfwunden oder sogar Knochenbrüchen einher. Wer es einigermaßen heil überstanden hat, trägt den Rest der Reise als stolze Trophäe ein T-Shirt mit der Aufschrift „I went volcano boarding”.

Abkühlung im Hochland Nicaraguas

Nach so viel hitziger Aufregung tut eine Abkühlung im Hochland Nicaraguas gut: Die kühlen, bewaldeten Hügel um Matagalpa, Jinotega und Esteli bieten Erfrischung von der tropischen Hitze der tiefer gelegenen Regionen. Hier oben gedeiht der nicaraguanische Kaffee prächtig auf großen Plantagen. Rund 80 Prozent der gesamten Kaffee-Ernte Nicaraguas stammt aus dieser Region.

Kaffeeplantagen Nicaragua
Nicaragua ist für seine prächtigen Kaffeeplantagen bekannt.

Wer den Kaffeebauern über die Schulter schauen und ein bisschen mit ihnen plaudern will, sollte vorher nach Esteli fahren. In der mit 120.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Nicaraguas gibt es – ähnlich wie in Granada oder Leon – jede Menge Sprachschulen, in denen Reisende Spanisch lernen können.

Sprachschüler treffen sich in Esteli

Hier trifft sich ein internationales Völkchen lernwilliger Schüler aus aller Welt. Die Stadt selbst ist beschaulich und sehr relaxt. Ganz wie die meisten Nicas, wie sich die Einwohner Nicaraguas selbst nennen. Nicht zu verwechseln mit den Ticos des Nachbarlandes Costa Rica.

Die Einheimischen sind überaus freundlich, hilfsbereit und zuvorkommend. Wer etwas sucht, dem wird geholfen. Gerne auch mal mit Begleitung direkt zum gesuchten Restaurant oder Museum, damit ja nichts schiefgeht.

Jugendliche Frische und Begeisterung inklusive. Rund 40 Prozent der Nicaraguaner sind jünger als 15 Jahre.

Cañón de Somoto, der Grand Canyon Nicaraguas

Ganz nahe bei Esteli steht ein touristischer Pflichtbesuch an. Der Cañón de Somoto, quasi der Grand Canyon Nicaraguas, ist bis zu 150 Meter tief und geht über drei Kilometer. Entstanden ist die Felsformation aus Vulkangestein durch Erosion in Millionen von Jahren. Als geologische Attraktion entdeckt wurde der Cañón de Somoto aber erst 2004 und schon 2006 von der UNESCO zum Nationaldenkmal Nicaraguas erklärt.

Cañón de Somoto
Der Cañón de Somoto ist bis zu 150 Meter tief und über drei Kilometer lang.

Die Fahrt dorthin querfeldein, über steile Geröllstrecken und inklusive Flussdurchquerung ist schon ein Abenteuer für sich. Durch die hohen Felswände des Cañón wird es noch spannender. Los geht es mit einem kleinen Ruderboot, später folgt der Umstieg auf große Schläuche oder Schwimmreifen.

In einer längeren (und anstrengenderen Tour) lässt sich der Cañón de Somoto auch wandernd und schwimmend erforschen. Ein malerischer Ort mit kristallklarem Wasser, für viele Reisende sogar der beeindruckendste im ganzen Land.

Sanfter Ökotourismus in Nicaraguas 80 Naturschutzgebieten

Nicht minder spektakulär ist die riesige Artenvielfalt in Nicaragua. In knapp 80 Naturschutzgebieten können sich die Besucher ein Bild davon machen. Sanfter Ökotourismus eben, von dem das Land auf Dauer noch stärker profitieren soll.

Ein beachtenswertes Beispiel ist das Naturschutzgebiet Rio Indio Maiz im Südosten des Landes am Rio San Juan. In dem Regenwald mit rund 450.000 Hektar gibt es mehr Tierarten als in ganz Europa. Neben Hunderten von Vogelarten sind hier unter anderem verschiedenste Reptilien, Wildkatzen, Affen, Pumas, Faultiere, Flussschildkröten und Süßwasser-Haie zu Hause.

Noch eine Nummer größer ist das Naturschutzgebiet Bosawas, mit etwa zwei Millionen Hektar das größte Nicaraguas. 1997 wurde das Reservat von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Tausende farbenprächtige Schmetterlinge teilen sich die Lufthoheit mit bis zu zweihunderttausend Insektenarten.

Corn Island – zwei Bilderbuchinseln

Das Beste kommt zum Schluss: die Islas del Maiz. Auch genannt Corn Islands, schließlich wird hier Englisch gesprochen. Zwei Bilderbuchinseln, 70 Kilometer vom Festland entfernt in der Karibik gelegen. Mit der Propellermaschine geht es auf Big Corn mit seinen 6000 Einwohnern.

Big Corn, Nicaragua
Big Corn: Einsamkeit und Strandidylle fernab vom Festland und dem Zivilisationsstress.

Wem das noch nicht idyllisch genug ist, setzt mit einem Boot auf Little Corn über. Ein so paradiesisch abgelegener Fleck, dass man das Gefühl hat, in jedem Moment müsste Robinson dort auftauchen. Das leuchtende Grün der Tropen, Palmenstrände, kristallklares Wasser und 750 Einwohner, die mindestens genauso tiefenentspannt sind wie die Urlauber.

Hier gibt es keine Action und kein Partyleben. Stattdessen wird das relaxte Lebensgefühl maximiert.

Autos und Motorräder sind auf der 3 Kilometer kleinen Insel Fehlanzeige. Deshalb helfen Schubkarren beim Gepäcktransport zu den kleinen Hütten in Strandnähe.

Volle Farbenpracht zur Regenzeit

Die Trockenzeit von Mitte Dezember bis Ende Mai eignet sich am besten für eine Reise nach Nicaragua. Wer Nicaragua aber in seiner vollen Farbpracht erleben will, sollte zur Regenzeit anreisen. Dann blühen die unzähligen Pflanzen nach den ersten kräftigen Regengüssen. Ein Anblick wie im Paradies. Fragt sich nur, wie lange angesichts dessen der touristische Dornröschenschlaf noch anhält.

Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphotos.com/Dmitry Vorobiev
Vulkan Momotobo: © Depositphotos.com/Mario Gyß
Nationalpalast Managua: © Depositphotos.com/Robert Lerich
Yellow Church Granada: © Depositphotos.com/Sergey Sukhanov
Vulkan Ometepe: © Depositphotos.com/Carles Navarro parcerisas
Surfer San Juan del Sur: © Depositphotos.com/Валерий Шанин
El Cavario Leon: © Depositphotos.com/Otto Dusbaba
Kaffeeplantagen: © Depositphotos.com/Carles Navarro parcerisas
Cañón de Somoto: © Depositphotos.com/Carles Navarro parcerisas
Strand Big Corn: © Depositphotos.com/Robert Lerich