Weiße Sandstrände, kristallklares Wasser und ein konstant mildes Klima statt grauem Himmel und Schmuddelwetter: Es liegt auf der Hand, warum viele Deutsche dem Winter entfliehen. Die Kanaren und Madeira haben sich längst als Zufluchtsort für Winterverweigerer etabliert. Doch es gibt eine Alternative für alle, die sich nach Meer und einer gehörigen Portion Vitamin D sehnen: Die Kapverden. Schwarze und weiße Sandstrände sowie Hochgebirge und Täler locken Strandurlauber und Aktivreisende gleichermaßen auf das vom Massentourismus noch verschonte Archipel.
Gerade einmal sechs Stunden Flugzeit trennen das kalte Deutschland vom Paradies, wo den Besucher eine exotische Welt erwartet. Rund 460 Kilometer vor der Küste Senegals in Westafrika locken mitten im Atlantik afrikanisches Flair, einsame Strände und unberührte Natur. Die Bewohner der Kapverdischen Inseln wickeln mit ihrem Charme und der kreolischen Lebensfreude alle Urlauber um den Finger. Kein Wunder, dass viele schnell zum Wiederholungstäter werden. Einmal Kapverden, immer Kapverden. Doch was macht die Inseln so besonders?
Santiago, die Wiege der kapverdischen Geschichte
Die perfekte Mischung aus Strand und Kultur findet sich auf Santiago, der größten Insel der Kapverden. Sie beheimatet nicht nur die einzigen palmenbesäumten Strände des Inselstaats, sondern auch rund die Hälfte aller Kapverdianer. Hier befindet sich zum einen die Hauptstadt Praia aber auch die Cidade Velha, die Wiege der Kapverdischen Geschichte und Weltkulturerbe. Jahrhundertelang war die Geschichte vom Sklavenhandel geprägt. Noch immer zeugen die Festungsmauern und der Pranger auf dem ehemaligen Sklavenmarkt vom düsteren Kapitel der Kolonialgeschichte.
Doch heute geht es auf den Inseln glücklicherweise freundlicher zu. Die Portugiesen brachten nicht nur ihre Sprache, sondern auch ihre Kultur mit in die Tropen, die sich mit der afrikanischen Kultur der Sklaven vermischte.
Die bunte Kultur der Kreolen zeigt sich in den kleinen farbigen Häuschen, noch mehr aber auf den Märkten und Festen der Insel. Also auf ins Getümmel: Afrikanische Musikinstrumente, Möbel, Stoffe, Haushaltsgegenstände, Schuhe oder Kleidung sind für Einheimische und Touristen gleichermaßen interessant. Der Besuch auf dem afrikanischen Markt, wie zum Beispiel dem Mercado de Sucupira in Praia, zeugt von Vielfältigkeit und kulturellem Reichtum.
Noch eindrücklicher zeigt sich die Einzigartigkeit der Kapverden in den Feierlichkeiten. Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind Katholiken. Dementsprechend werden auch die christlichen Feste gefeiert, wenn auch auf ganz eigene Art.
Im Gegensatz zur Besinnlichkeit in Europa geht es auf den Kapverden gerne ausgelassen zu. Gottesdienste und Prozessionen münden in ausgelassenen Straßenfesten. Mit Tanz, Musik und Essen geht die Party bis in die Morgenstunden. Laut, bunt, fröhlich: So feiern sich die Kreolen auch ein Stück weit selbst.
Santiago ist mit den Städten, Stränden, grüne Tälern und Hochebenen wohl die abwechslungsreichste Insel des Archipels. Doch es gibt noch einiges mehr zu entdecken, schließlich bilden sich die Kapverden aus 15 Inseln, wovon neun bewohnt sind. Jede davon hat ihren ganz eigenen Charakter. So malerisch wie die Bilderbuchstrände in den Reisekatalogen klingt selbst die Unterteilung des afrikanischen Inselstaats: Man spricht von zwei Inselgruppen, den „Inseln über dem Wind“ und den „Inseln unter dem Wind“.
Boavista, das Ziel der Sonnenhungrigen
Für Sonnenhungrige ist Boavista eine beliebte Wahl. Die meisten Touristen konzentrieren sich auf die Ferienanlagen am Strand von Praia da Chave, die restliche Insel ist fast menschenleer. Keine Bausünden, keine Hotelburgen. Selbst am wohl schönsten Strand der Kapverden, Santa Monica, ist weit und breit kein Tourist zu sehen. Grund dafür sind die riesigen Wanderdünen, die die Fortbewegung und auch den Weg zum Strand Santa Monica erschweren. Lediglich Geländewagen fahren durch die Wüste und sorgen für etwas Adrenalin auf dem Weg zum Sonnenbad.
Trotz des internationalen Flughafens und mehrerer großen Hotels geht es auf Boavista noch gemütlich zu. Die Einnahmen durch den Tourismus sind bei der Bevölkerung allerdings gerne gesehen. So schön die Insel für die Besucher ist, so schwierig sind für die Einheimischen bis heute die Lebensbedingungen. Die karge Landschaft ist unwirtschaftlich. So leben die wenigen auf der Insel gebliebenen Kapverdianer von der spärlichen Ernte und der Fischerei. Kein Wunder dass Boavista als Ursprungsort der Morna gilt, der wohl melancholischsten Form der kreolischen Musik. Sinnbildlich für die kreolische Kultur vereint die Musik Elemente der afrikanischen und europäischen Kultur.
Wo in Santiago meist der fröhliche Batuko mit afrikanische Trommelrhythmen und Sprechgesang erklingt, dominiert auf der kargen Insel Boavista die Morna, die in ihrer Schwermut an den portugiesischen Fado erinnert. Der melancholische Gesang erzählt von den Sorgen der Kapverdianer.
Vielen Bewohnern bleibt als einzige Lösung der finanziellen Probleme die Emigration. Mittlerweile leben rund doppelt so viele Kapverdianer im Ausland wie auf den Inseln. Vor allem Männer gehen weg, was zur Folge hat, dass auf den Inseln mittlerweile viel mehr Frauen und Kinder als Männer leben. Vor allem auf dem Land haben manche Männer neben ihrer Frau noch Freundinnen, oder die zurückgelassene Frau sucht sich einen neuen Mann.
Von der Sehnsucht der Emigranten und Daheimgebliebenen
Die klassische Kernfamilie findet man hier selten. Die Frau bildet den Mittelpunkt der Familie, sorgt für Kinder, Haushalt, Ernährung und Erziehung. Die Väter haben durch ihre Abwesenheit an Bedeutung innerhalb der Familien verloren. Das von der Sehnsucht der Emigranten und Daheimgebliebenen geprägte kapverdische Lebensgefühl, die Sodade, verbreitete die wohl berühmteste Morna-Sängerin Cesária Évora von hier aus in die ganze Welt.
Durch eine sanfte Art des Tourismus erhoffen sich die Einheimischen der Kapverdischen Inseln mehr Wohlstand und eine bessere Infrastruktur. In nachhaltiger und sorgsamer Weise kann der Tourismus den Lebensstandard der Bewohner verbessern und doch gleichzeitig die Einzigartigkeit bewahren, sie den Touristen nahebringen.
Die Insel Sal erinnert an das Fuerteventura der späten 1960er
Selbst die bei den Touristen beliebte Badeinsel Sal bewegt sich bei den Besucherzahlen noch im vertretbaren Rahmen. Früher war der einzige Reichtum der Insel die Salzgewinnung, heute locken die breiten Sandstrände, kristallklares Wasser und die reiche Unterwasserwelt die Touristen auf die 30 km lange und 12 km breite Insel. Passatwinde und gute Wellen sind für Windsurfer und Wellenreiter interessant. Die gut entwickelte Infrastruktur mit internationalem Flughafen macht Sal zum Touristenliebling. Ein bisschen erinnert Sal an das Fuerteventura der späten 60er- oder frühen 70er-Jahre, bevor der Bauboom einsetzte.
Außerhalb der touristischen Zentren wie Sal und Boavista lohnt es sich, ein wenig Geduld im Gepäck zu haben. Buslinien verkehren nur sporadisch, Zugverbindungen fehlen völlig. Allein die Alguer, die landestypischen Sammeltaxis, fahren zuverlässig von Ort zu Ort.
Auch portugiesische Sprachkenntnisse sind hilfreich, denn neben der Landessprache Portugiesisch reden die meisten Bewohner nur eine der vielen unterschiedlichen kreolischen Sprachen. Doch genau diese Eigenheiten jenseits des Massentourismus machen den Charme der Inselgruppe aus.
Kapverden, der Geheimtipp in Sachen Wanderurlaub
Reden wir von der besonderen Attraktivität der Inseln, ist es mit den Traumstränden noch lange nicht getan. Die Kapverden haben sich den Status „Geheimtipp“ nicht nur in Sachen Strand-, sondern vor allem auch beim Aktivurlaub verdient. Einfach nur faul am Strand zu liegen, das wäre für den Kapverden-Urlaub eigentlich zu schade. Gleich mehrere Inseln bieten geeignetes Terrain für Wanderungen ganz unterschiedlichen Anspruchs. Die Bandbreite reicht von kleinen Hügeln über Vulkanbesteigungen bis hin zu Hochgebirgswanderungen.
Als die schönste Wanderinsel im gesamten südlichen Atlantik gilt dabei Santo Antão. Doch Vorsicht, ungeübte Wanderer können schnell an ihre Grenzen kommen: Die Wanderungen finden in hochgebirgsähnlichen Gefilden mit feucht-warmen Klima statt. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind dabei Voraussetzung. Doch wer geübt ist und vor etwas Herausforderung nicht zurückschreckt, der wird von Santo Antão begeistert sein. Als Entschädigung für die Strapazen gibt es dann grandiose Aussichten: Von Terrassenfeldern in schwindelerregenden Höhen und Maultierpfaden schweift der Blick über die Bandbreite an Landschaftsformen: Gebirgslandschaften, Vulkanhänge, Wüstenlandschaften und Waldflächen, all das auf einer Insel.
Fogo: Kaffeeplantage und schwarze Lavastrände
Wer von der Insel Fogo spricht, hat meist nur eines im Sinn: die Besteigung des Vulkans Pico de Fogo. Welcher Aktivurlauber träumt nicht davon, einmal am Krater eines Vulkans zu stehen? Zusammen mit Kaffeeplantagen und schwarzen Lavastränden ist Fogo wohl ein heißer Kandidat für die Geheimtipps.
Doch die Insel São Nicolau ist Fogo dicht auf den Fersen. Sie ist nicht leicht zu erreichen und nur wenige Touristen finden ihren Weg auf dieses Eiland. Dabei bietet São Nicolau bezaubernde Strände und Wandermöglichkeiten für Individualtouristen. Den schwarzen Stränden der Insel wird Heilwirkung zugesprochen, denn sie sind reich an Jod, Titan und anderen Spurenelementen. Heilwirkung hin oder her: Ein Strandspaziergang hat noch keinem geschadet.
Zur Stärkung das Nationalgericht Cachupa
Von den Stränden erheben sich zerklüftete Täler und bizarre Bergwelten, die die gesamte Insel durchziehen. Auf den uralten Wegen geht es bis zu 2.000 Meter hinauf vorbei an Zuckerrohr-, Kaffee- und Maniokplantagen bis hin zum Monte Gordo, von dem man bei gutem Wetter alle anderen Insel des Archipels erblicken kann. Auf dem Rückweg gibt es dann zur Stärkung das Nationalgericht der Inseln, die Cachupa. Der deftige Eintopf, bestehend aus gestampftem Mais, Bananen, Zwiebeln, Maniok, Süßkartoffeln, Kürbis, Yamswurzel, Kohl und Tomaten wird auf den Kapverden zu jeder Tageszeit gereicht.
Es grenzt an ein Wunder, dass die Kapverdischen Inseln bei diesen Voraussetzungen noch nicht längst den Touristenmassen zum Opfer gefallen sind: abwechslungsreiche Natur, einzigartige Kultur und immer gutes Wetter.
Und wenn wir schon beim Wetter sind: Was heißt konstant mildes Klima denn genau? Die Lufttemperaturen liegen das ganze Jahr zwischen 25 und 30 Grad. Die Wassertemperaturen schwanken zwischen 20 Grad im Winter und 25 Grad im Sommer, und das alles bei seltenen Regenfällen.
Und der Clou: Aufgrund der Trockenheit gibt es auf den Kapverden keine ausgeprägte einheimische Tier- und Pflanzenwelt. Bis auf Fledermäuse wurden alle Säugetierarten von den Siedlern eingeschleppt. Das bedeutet im Klartext: Auf den gesamten Inseln gibt es keine für den Menschen giftigen Schlangen- oder Spinnenarten. Aber nicht verraten! Nicht, dass alle Spinnen- und Schlangenphobiker auch noch hierher flüchten.
Drei Tipps:
- In einem privaten Homestay übernachten, um Land und Leute aus erster Hand kennenzulernen.
- Die Salz-Salinen auf Sal besichtigen und die mineralische Luft einatmen.
- Beim Schnorchelausflug vor Boavista die Unterwasserwelt erkunden.
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Titelbild: © Depositphotos.com/Samuel Borges
Fischerboote: © Depositphotos.com/Samuel Borges
Afrikanischer Markt: © Depositphotos.com/Alain LAUGA
Praia de Chaves: © Depositphotos.com/Samuel Borges
Insel Sal: © Depositphotos.com/Michel FERNANDES BORGES
Vulkankrater: © Depositphotos.com/Artur Furmanek
Vulkan Insel Fogo: © Depositphotos.com/Urs Flueeler