Stefanies Zeigefinger liegt auf dem Auslöser ihrer Spiegelreflexkamera, doch noch ist der richtige Moment nicht gekommen. Konzentriert schaut sie durch den Sucher, den Blaufußtölpel fest im Blick. Ihr Herz klopft, denn zum ersten Mal sieht sie den Vogel mit den leuchtend blauen Füßen in echt. Dieser Moment ist Gold wert. Sie beobachtet ein Pärchen bei der Balz, das sich nicht von ihrer Anwesenheit stören lässt, denn Stefanie kann sehr still sein. Sie ist eher der Zuhörer oder besser gesagt Beobachter. Eine gesellige Partygängerin war sie nie, aber das hat ihr auch nie gefehlt. Genau hier in der Natur der Galapagos-Inseln, in der Gesellschaft der Tölpel fühlt sie sich goldrichtig.
Allein schon, um die Blaufußtölpel bei der Balz zu beobachten, lohnt sich eine Reise auf die Galapagos-Inseln.Schon seit geraumer Zeit tanzt das Männchen um das etwas größere Weibchen herum und zeigt ihm immer wieder seine Füße, die ein besonders kräftiges Blau aufweisen. Nun hat das Männchen ein Stöckchen im Schnabel, das er seiner Auserkorenen zum Geschenk überreichen will. Doch noch ziert sie sich. Das Männchen legt sich noch einmal ins Zeug und plötzlich macht das Weibchen einen Schritt auf ihren Werber zu.
Vier Stunden auf der Pirsch haben sich gelohnt
Just in dem Moment, als das Weibchen das Geschenk annimmt, drückt Stefanie auf den Knopf. Perfekt! Das Bild, auf das sie gehofft hat, ist im Kasten. Die vier Stunden auf der Pirsch liegen haben sich gelohnt.
Stefanie ist schon seit ein paar Tagen auf den Galapagos-Inseln. Für die Tölpel hat die Tierliebhaberin eine ganz schön lange Reise auf sich genommen.
Von Deutschland ging es über Spanien und die USA nach Ecuador und schließlich auf die Galapagos-Inseln nach Santa Cruz. Die Tölpel sind es ihr wert. Andere fliegen ja auch für ein Wochenende nach New York zum Shoppen.
Das findet Stefanie wirklich verrückt. Konsum und Großstädte sind sowieso nicht so ihr Ding.
Via Inselhopping nach Nord Seymour
Gleich am Tag nach ihrer Ankunft hat sich Stefanie einen Tagesausflug nach Nord Seymour gegönnt, denn auf der unbewohnten und kargen Vulkaninsel seien die Tölpel besonders gut zu beobachten, hieß es.
Wieso sie keine der beliebten Kreuzfahrten gebucht hat, die so bequem an den Küsten vorbeischippern und Flamingos und Pinguine wie im Zoo präsentieren? Dafür gibt es zwei gute Gründe: Erstens ist sie ja nicht beim Schaufensterbummel. Die Tierbeobachterin will die Tiere nicht nur von Weitem sehen, sondern ihnen möglichst nahe kommen. Und zweitens sind ihr die abgesteckten Routen viel zu oberflächlich.
Sie weiß, wo die richtig guten Spots sind, um Landleguane, Kormorane & Co zu sehen. Dort will sie hin. Ihre Variante des Galapagos-Abenteuers ist das Inselhopping.
Ein Privatboot mit persönlichem Naturführer brachte sie heute morgen von Santa Cruz nach Nord Seymour. Hier am Hauptbrutort der Blaufußtölpel sieht man den Balztanz, daneben Weibchen, die ihre Eier brüten und Jungvögel bei ihren ersten unbeholfenen Flugversuchen zur gleichen Zeit. Ein wahres Spektakel für Vogelfreunde.
Nach dem Balzritual beobachtet Stefanie noch ein wenig die Jagd der Vögel. Dafür nimmt sie ihr Fernglas in die Hand und folgt den Tieren bei ihren Manövern. Im Sekundentakt stürzen sie in die Fluten und erheben sich kurz darauf mit schwerem Flügelschlag und der Beute im Schnabel wieder in die Lüfte.
Wie gut, dass es den kalten Humboldtstrom gibt!
Stefanie holt ihr Notizbuch hervor, das schon ganz zerfleddert ist und notiert: „Der kalte Humboldtstrom sorgt für Fischreichtum und somit genügend Nahrung für die zahlreichen Vögel. Die Lage am Äquator und der kalte Humboldtstrom sorgen aber auch dafür, dass hier sowohl tropische Vögel wie die Blaufußtölpel und Fregattvögel als auch Pinguine und Albatrosse gleichzeitig leben.“
Eine einmalige Lebensgemeinschaft, davon wird sie vielleicht mal ihren Enkeln erzählen. Oder zumindest den Mitgliedern in Vogelfreunde-Club.
Vögel aller Art sind Stefanies Lieblinge. Auch damals schon als Kind, als die anderen Mädchen sich höchstens für Hundewelpen und Ponys interessierten, fand sie die flinken Spatzen und stolzen Zaunkönige viel faszinierender als jedes Haustier. Diese Leidenschaft begleitete sie im Biologiestudium, wo sie sich auf ihre gefiederten Freunde spezialisierte.
Auch wenn sie mittlerweile in ihrem Job an der Universität mehr organisatorisch als forschend tätig ist, ist ihr Interesse geblieben. So nutzt sie all ihre Urlaubstage für Expeditionen wie diese.
Endemisch – Ein Wort, das auf der Zunge vergeht
Natürlich ist die Galapagos-Rundreise nicht Stefanies erster Ausflug ins Tierreich. Sie war schon in vielen Ländern unterwegs, um die dortige Fauna zu erkunden. Zu Studienzeiten reiste sie für Forschungszwecke nach Costa Rica, Namibia und Borneo. Mit ihren Kollegen, allesamt in obligatorischer Safarikleidung, stapfte sie stundenlang durch Dschungel und Steppe, um Ausschau nach Nestern oder seltenen Vogelarten zu halten.
Eine aufregende Zeit war das. Doch die Galapagos-Inseln schlagen alles! Ihr dickes Lexikon, das sie ungeachtet des Gewichts von gut einem Kilo immer mit sich herumschleppt, verspricht noch so einige tierische Highlights auf ihrer Reise.
Das Galapagos-Archipel besteht aus 13 größeren und über hundert kleineren Inseln und befindet sich gut 1000 Kilometer von Ecuador entfernt mitten im Pazifik. Die Inseln waren nie mit dem Festland verbunden.
Ein Großteil der Inselwelt am Äquator ist deshalb endemisch. Das bedeutet, viele Pflanzen und Tiere kommen ausschließlich auf diesen Inseln vor. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Stefanie unterstreicht das Wort „endemisch“ in ihrem Natur-Reiseführer mehrfach mit dem Kugelschreiber.
Die besten Bilder landen im Tierbeobachter-Forum
Am Abend setzt sich Stefanie im Hotel an ihren Laptop, um die Bilder von der Kamera in die Cloud zu laden. Ein wenig sehnt sie sich nach ihrer alten analogen Kamera, doch auf Reisen hat sich die Digitalfotografie einfach als bequemer herausgestellt.
Man muss ja mit der Zeit gehen. Vor allem bei der Menge an Bildern, die sie täglich produziert. Sie sieht gleich, dass ein paar richtig gute Fotos dabei herausgekommen sind. Die Stöckchenübergabe ist perfekt dokumentiert!
Tipps für gute Beobachtungsspots sind wichtig
Sie nutzt die Vorteile des digitalen Zeitalters und lädt die besten Bilder im Tierbeobachter-Forum hoch. Seit Jahren ist sie hier aktiv, teilt ihre Erfahrungen und holt sich Tipps für gute Beobachtungsspots. Ihr Profil hat schon fünf Sternchen für rege Teilnahme und besonders gute Beiträge. Die Mitglieder sind fast so etwas wie richtige Freunde geworden.
Auch auf ihre Reise auf die Galapagos-Inseln hat sie sich mit Hilfe der Forummitglieder vorbereitet. Manchmal ergeben sich auch Reisepartnerschaften, denn hier haben alle die gleiche Priorität: die Tiere. Doch eigentlich reist Stefanie am liebsten alleine.
Mit „normalen“ Freunden verreisen kann sich Stefanie aber nicht vorstellen. Sie will sich voll und ganz auf die Tiere konzentrieren und keinen um sich haben, der zum Weitergehen drängt oder die Ruhe stört.
Zugegeben, manchmal wäre ein Reisepartner ganz nützlich, allein um das Gepäck ein wenig aufzuteilen. Denn Stefanie hat einiges in ihrem Trekkingrucksack dabei: Outdoor-Kleidung, wie feste Wanderstiefel, ein Hut gegen die Sonne, Sonnenschutzmittel, Insektenschutz, Reiseapotheke, Wanderstöcke, Campingbesteck und Snacks für längere Wanderungen, je nach Reiseziel auch Zelt und Schlafsack.
Dann kommt das Wichtigste: alles, was sie für die Tierbobachtung braucht, wie Fernglas, Kamera mit diversen Objektiven und Stativen, Bücher zur Pflanzen- und Tierbeobachtung sowie Notizbücher und Schreibwerkzeug.
Galapagos-Inseln, die Wiege der Evolutionslehrer
1964 wurde auf der Insel Santa Cruz die Charles-Darwin-Forschungsstation eingerichtet, ein Eldorado für alle Naturforscher und das nächste Ziel für Stefanies Reise. Die Galapagos-Inseln sind die Wiege der Evolutionslehrer: 1832 studierte Charles Darwin die Unterschiede der auf den Inseln lebenden Tiere mit denen vom Festland und entwickelte daraufhin seine Evolutionslehre.
Anhand der Schnabelform der Darwinfinken lässt sie sich nachvollziehen. Auf den Inseln gibt es übrigens 13 Arten der Darwinfinken zu entdecken, das wusste Stefanie schon vor ihrem Studium. Zwei davon konnte sie schon auf North Seymour ausmachen, auf den nächsten Inseln hofft sie noch mehr davon zu entdecken.
Sie klappt den Laptop zu, denn es ist Zeit für das Abendessen. Die herzliche Mutter des Hauses hat gekocht und nun sitzen Gäste und Familie zusammen am Tisch. Am liebsten übernachtet Stefanie bei Privatleuten, die Zimmer an Gäste vermieten und mit günstigen Preisen, gutem Essen und vor allem Insidertipps punkten können.
Hotels sind für Stefanie die absolute Ausnahme. Nach dem einfachen aber wohlschmeckenden Eintopf mit Kochbananen und Erdnüssen geht’s rasch ins Bett, denn morgen heißt es schon wieder früh raus aus den Federn.
Bevor sie zur Darwin-Station aufbricht, macht Stefanie einen Abstecher zum Fischmarkt in Puerto Ayora. Das Städtchen ist mit rund 12.000 Einwohnern die größte Stadt der Galapagos-Inseln. Auf dem morgendlichen Markt kaufen nicht nur die Bewohner ihren Fisch, sondern auch die Tiere warten auf ihr Frühstück. Seelöwen, Reiher und Fregattvögel tummeln sich am Platz.
Die Tiere der Inseln sind für ihre Zutraulichkeit bekannt, so stören sich weder die Seelöwen an den Menschen noch umgekehrt. Die Seelöwen sind übrigens eine der lediglich vier Säugetierarten, die es auf dem Archipel gibt – neben Fledermäusen, Ratten und den scheuen Pelzrobben.
Stefanie macht ein paar Aufnahmen von der Spielerei zwischen Tieren und Marktarbeitern und fertigt schnell eine Skizze des Fregattvogelmännchens an: Der stolz aufgeblasene rote Kehlsack ist sein Markenzeichen. Dann macht sie sich auf den Weg zur Forschungsstation, schließlich will sie ihre Reise auch zur Fortbildung nutzen.
Freie Natur statt Zoo!
Die Forschungsstation hat sich vor allem zum Ziel gesetzt, ein Bewusstsein für das fragile Gleichgewicht der Natur zu bilden. Das ist ganz im Sinne der Naturschützerin. Denn Natur- und Tierschutz hat für Stefanie immer Priorität, vor allem auf Reisen. So sehr sie die Tiere liebt und ihnen nahe sein will, ihr Schutz hat Vorrang.
Nie würde sie sich auf den Rücken eines Elefanten setzten, die Kunststücke von Delphinen in Wasserparks beklatschen oder Selfies mit Tigern machen, nur um auf diversen sozialen Netzwerken zu punkten. Das machen nur leichtfertige Touristen und von diesen will sie sich ganz deutlich abgrenzen.
Auch hier auf den Galapagosinseln versucht sie ihre Ziele und Wünsche der Reise möglichst ökologisch korrekt umzusetzen. Da ist ein Besuch in der Darwin-Station ein Muss! Vor Ort lässt sich die Tierfreundin die Forschungseinrichtung und das Museum zeigen.
Dann geht es zu den Schildkröten. Viele der Riesenschildkröten haben hier ein Zuhause gefunden. Leider kann Stefanie den berühmten „Lonesome George“ nicht mehr treffen. Die rund 100 Jahre alte Schildkröte starb als letzte ihrer Unterart im Jahr 2012 hier in der Darwin-Station.
Isabela, die größte Insel des Galapagos-Archipels
Nach einen Ausflug mit dem Motorboot zu den unbewohnten Inseln östlich von Santa Cruz, den South Plazas, um die berühmten gelblich-goldbraunen Landleguane und Scharen an Seelöwen zwischen Kakteen und Korallensträuchern zu sehen, sitzt Stefanie nun im Boot nach Isabela, der größten Insel des Archipels.
Hier mietet sie ein Fahrrad und erkundet die Küste bis zur sogenannten Tränenmauer, dem Denkmal, das an die Zeit erinnert, als Isabela noch eine Strafkolonie war. So langsam kommt Stefanie ein wenig ins Schwitzen. Nicht etwa wegen der gemütlichen Fahrradtour, sondern weil sie merkt, dass sie sich entscheiden muss.
Hier auf den Inseln gibt es so viele Tiere, die sie noch sehen möchte und unzählige Aktivitäten. Soll sie eine Tageswanderung zum Sierra Negar, dem 1.200 Meter hohen und zweitgrößten Schildvulkan der Welt unternehmen? Eine andere Option wären die Flamingos oder auf Walbeobachtung gehen. Oder soll sie eine Schnorcheltour buchen und noch etwas die Unterwasserwelt erkunden?
Einen Augenblick überlegt sie, doch die Entscheidung ist eigentlich getroffen: Sie will ins Wasser. Zurück in der Unterkunft recherchiert sie die besten Spots und bucht gleich eine Tour für den nächsten Tag.
An der von Lavafeldern eingefassten Salzwasserlagune Las Tintoreras taucht sie in kristallklare Wasser. Es dauert nicht lange, bis sie die ersten Schildkröten ausmacht, die gemächlich ihre Kreise ziehen. Von weitem sieht sie die Galapagos-Pinguine, die eher kleinen und nur hier vorkommenden Vertreter ihrer Art. Sie taucht etwas tiefer, um den Tintenfischen etwas näher zu kommen, als sie etwas am Arm streift. Es ist ein Rochen, der ganz nahe an ihr vorbeizieht.
Zum Glück ist es kein Stachelrochen. Sie will ja nicht so enden wie Steve Irwin, Stefanies großes Vorbild, der vom Stachel eines Rochen tödlich ins Herz getroffen wurde.
Dieser Text stammt aus unserer Reihe „Reisetypen“, in der wir verschiedene fiktive Reisecharaktere und ihre ganz besonderen Eigenheiten vorstellen – gern auch mit einem Augenzwinkern . Welcher Reisetyp bist du? Schreib es uns in den Kommentaren!
Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphotos.com/Pablo Hidalgo
Blaufußtölpel: © Depositphotos.com/Konstantin Kalishko
Nord Seymour: © Depositphotos.com/Alexander Shalamov
Leguan: © Depositphotos.com/Dmitry Saparov
Insel Bartolome: © Depositphotos.com/Jesse Kraft
Puerto Ayora: © Depositphotos.com/Ryszard Stelmachowicz
Fregattvögel: © Depositphotos.com/Jesse Kraft
Riesenschildkröte: © Depositphotos.com/ Kjersti Jorgensen
Insel Isabela: © Depositphotos.com/Jesse Kraft
Tauchen: © Depositphotos.com/Paul Kennedy
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