Fotografieren mit dem Tablet - ein No-Go?

Tablet-Fotos, Hochkant-Videos und andere fotografische „No-Gos“

Echt jetzt? Mit dem Tablet fotografieren? Wie peinlich. Das wird doch nichts. Die Kameras in Tablets sind doch viel zu schlecht. So oder ähnlich könnte man empfinden, wenn bei Veranstaltungen oder an touristisch und fotografisch interessanten Orten Menschen ihr iPad zücken und Fotos machen. Ein echtes „fotografisches No-Go“. Ich muss gestehen: So habe ich auch zu Anfang gedacht!

Oder noch häufiger vorzufinden: Personen, die Videos mit dem Smartphone im Hochformat drehen. Wissen die denn nicht, dass alle Fernseher im Querformat sind? Und dass das menschliche Auge einen eher breiten Blickwinkel hat, also Querformat-Filme unseren natürlichen Sehgewohnheiten viel besser entsprechen? Kann ja nicht wahr sein!

Inzwischen finde ich ja: Ruhig bleiben.

Wer entscheidet eigentlich, was man mit seiner Technik tun darf oder nicht? Richtig. Wir selber. Daher sollten wir auch anderen diese Freiheit lassen. Leben und leben lassen ist die Devise. Und vielleicht sind manche No-Gos ja gar nicht so schlimm; manchmal sogar praktisch!

Schauen wir uns ein paar Beispiele für solche No-Gos an!

No-Go #1: Fotografieren mit dem Tablet

Da Tablet-Computer, ob iPad, Android- oder Windows-basiert, praktische Begleiter für den Alltag sind, mit denen man fast so viel tun kann wie mit einem Laptop, liegt es doch nahe, in passenden Situationen auch die Kamera mal auszuprobieren.

Es gibt aktuell (Ende 2019) noch keine Tablets mit mehreren Kameras, wie es bei Smartphones immer üblicher wird, aber oft finden sich Kameras in Tablets, die etwa eine Entwicklungsgeneration hinter der neuesten Smartphone-Kameratechnik stehen. Und damit nicht zu verachten sind, was die technischen Möglichkeiten angeht.

Was könnte sogar für das Fotografieren (oder Filmen) mit dem Tablet sprechen?

Abgesehen davon, dass die beste Kamera immer die ist, die man gerade dabei hat, ist das Besondere am Fotografieren mit Tablet der enorm große „Sucher“, der zur Verfügung steht. Die Wirkung eines Motivs ist viel intensiver als auf einem kleinen Smartphone-Display. Gerade bei ruhigen Motiven wie einem Portrait oder Stilleben wird die Komposition sehr erleichtert.

Das Bearbeiten des Fotos kann man dann auch gleich auf dem selben Gerät erledigen, vielleicht auch einen Stift zur Bearbeitung (wie den Apple Pencil *) nutzen und die Fotos teilen oder drucken.

Eher schwierig bei der Tablet-Fotografie kann das Ruhighalten des Geräts sein, um verwacklungsfreie Aufnahmen zu erhalten. Die ausgestreckten Arme können besonders bei großen Geräten leicht zu Verwacklungen führen – das geht mit dem Smartphone oder einer richtigen Kamera besser.

Aber noch einmal zurück zum Thema an sich. Ist es nicht auch etwas arrogant, andere Menschen danach zu beurteilen, womit sie ihre Fotos machen? Im Prinzip schwingt ja bei dieser abschätzigen Betrachtungsweise der Gedanke mit, dass diese Leute sich nicht Tablet und Premium-Smartphone und noch eine Spiegellose dazu kaufen können. Stattdessen könnte man sich mitfreuen, dass immer mehr Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise Spaß an der Fotografie finden.

Also: Versuch macht klug – wenn das Tablet dabei ist, einfach mal ausprobieren, statt sich vom Augenrollen und Naserümpfen der anderen beirren zu lassen.

No-Go #2: Videos im Hochkant-Format

Smartphone hochkant im Videomodus – ein No-Go?
Photo by Highlight ID on Unsplash

Gefühlt sieht man fast mehr Personen, die Videos im Hochformat von ihren Kindern oder anderen Motiven erstellen als im Querformat. Das ist ja auch verständlich, denn so ist nun mal die natürliche Haltung eines Smartphones…

Gerade bei Videos von Personen kann es durchaus sinnvoll sein, das Hochformat zu verwenden (im englischen auch portrait orientation genannt). Und seien wir mal ehrlich – wie viele der kleinen Filmschnipselchen, die wir so im Alltag erstellen, landen später tatsächlich jemals auf dem großen 4K-Fernseher im heimischen Wohnzimmer? Richtig. Diese Videos bleiben leider oft vergraben im Smartphone oder werden kurz als Story auf Instagram, SnapChat oder Facebook gepostet – und dort von Anderen wieder auf einem Smartphone im Hochformat betrachtet. Also – passt es doch perfekt!

Natürlich muss man an den späteren Einsatzzweck denken. Wenn es ein YouTube-Video oder tatsächlich ein Filmbeitrag werden soll, der wahrscheinlich auf Fernsehern oder Monitoren gesehen werden wird, gehen wir natürlich sofort ins Querformat. Also ein No-Go? Ich finde nein!

No-Go #3: Digitalzoom

Es ist verlockend einfach, mit einer zwei-Finger-Geste auf dem Smartphone-Display das weit entfernte oder zu kleine Fotomotiv heranzuholen, aber die Ergebnisse sind spätestens am großen Monitor zuhause eher mau. Beim Digitalzoom versucht die Kamera-Software, Pixel dazuzudichten, die vorher nicht vorhanden waren. Das führt zu unscharfen Ergebnissen und Klötzchenbildung, da diese Interpolation nicht perfekt funktioniert.

Deshalb ist es grundsätzlich gut und richtig, diese Funktion zu meiden.

Aber: Keine Regel ohne Ausnahme, und auch hier finde ich, dass es nicht hilfreich ist, dogmatisch zu sein. Zeit ist ja ein für uns alle knappes Gut, und wenn wir weder die Zeit haben, näher ans Motiv heranzukommen, noch eine Tele-Aufsatzlinse parat haben, noch jemals die Zeit haben werden, die Aufnahme in professioneller Bildbearbeitungssoftware digital zu vergrößern, können wir es ja mal mit dem Digitalzoom versuchen. Man sollte aber bereit sein, ein paar qualitative Abstriche in Kauf zu nehmen!

No-Go #4: Blitzen

Ok, das sollte man wirklich im Prinzip nie tun. Die in Smartphones oder Digitalkameras verbauten Blitze bzw. Leuchten sind so schwach, dass sie selten irgend etwas bewirken. Im professionellen Umfeld, beispielsweise bei Porträtfotografen, finden sich viel bessere fest installierte Blitz- oder Dauerlichtanlagen, die wohldosiert und dezent das Licht passend formen. Oder Reportagefotografen brauchen sie, um mitten in der Nacht Politiker, die aus der Pressekonferenz kommen, bildlich festzuhalten.

Mit den verbauten Blitzen in aktuellen Smartphones kann man höchstens im Nahbereich von unter einem Meter arbeiten, wenn man etwas eher dokumentarisch festhalten möchte. Dazu kann gehören, irgendeinen Schaden am Auto zu dokumentieren oder einen Gegenstand wie z.B. ein Schriftstück abzufotografieren. Auch Fotoscanner-Apps wie die von Google, nutzen teilweise den Blitz, um Fotos und andere Dokumente gut auszuleuchten und dann nach und nach abzuscannen.

All das sind aber eher nicht die Art Fotografie, um die es hier auf diesen Seiten geht. Also ja, wir haben ein fotografisches No-Go gefunden!

No-Go #5: Fotografieren in unpassenden Momenten

Brautpaar von unzähligen Smartphones umgeben. Ein No-Go?
Foto: © Depositphotos.com

Früher™ war zwar nicht alles besser, aber ein Phänomen gab es in dieser Form nicht: Bei Familienfeiern, wenn beispielsweise das Brautpaar die Tanzrunde eröffnet und alle im Kreis drumherum stehen, hat inzwischen wirklich fast jeder sein Smartphone oder eine Kamera in der Hand und filmt die Szene. Ich verstehe, wenn die Personen, die bei diesem Anlass im wahrsten Sinne des Wortes im Mittelpunkt stehen, leicht genervt reagieren können. Haben wir hier etwa ein echtes No-Go gefunden?

Wäre es nicht manchmal passend, den ausgewählten Fotografen diese Aufgabe zu überlassen, und diesen Moment einfach mit zu genießen? Damit ermöglicht man es auch dem Brautpaar, Erinnerungen und Fotos von der Feier zu haben, bei der eben nicht alle Gäste auf ihre Geräte starren. Ein nett formulierter Hinweis von seiten der Gastgeber kann hier die Gäste daran erinnern. Diese Thematik hat inzwischen sogar einen eigenen Begriff gefunden: „Unplugged Wedding“

Respekt ist sowieso eine Grundregel der Fotografie. Zeigen wir nicht Menschen in verletzlichen oder gar entwürdigenden Situationen – sei es im Reiseland die vielleicht ärmere Bevölkerung, den Obdachlosen in der Street photography oder unpassende Kinderfotos auf komplett öffentlichen Social-Media-Plattformen.

Titelfoto: © depositphotos.com