In der Kolumne „Meine ReiseZutaten“ philosophieren wir über Gott und die Reisewelt. Welche guten Zutaten braucht eine Reise? Was versalzt uns gerne mal die Reise-Suppe? Und wann denken wir: „Wer bitteschön hat denn DAS bestellt?“ In Folge 21 dreht sich alles um die Stille.
Meine ReiseZutaten (21): Stille
„Hossa, Hossa, Hossa, Hossa! Fiesta, Fiesta Mexicana, heut geb ich zum Abschied für alle ein Fest.“ Hach, das waren noch Zeiten. Je abgenudelter der Schlager, je lauter die Musik, je vielfarbiger der Cocktail und je länger die Nacht, desto eindrucksvoller das Urlaubserlebnis. Der Schädel am Morgen danach auch. Party-Kollateralschaden eben.
Wir waren jung, wir fühlten uns frei. Doch genau genommen waren wir die meiste Zeit nur besoffen. Oder in der schmerzhaften Transformationsphase. Nach dem Rausch ist vor dem Rausch. Oder wie war das nochmal?
Die ganze Reise eine einzige Dröhnung. Die Maximierung von Lautstärke und Ablenkung als Gradmesser für das Gelingen. Feiern als Selbstzweck. Massenkompatibel. 1-A-Ballermann-Verwertungsware.
Der Sinn dahinter? Keine Ahnung. Mutti Merkel würde sagen: Das war alternativlos.
Vermutlich brauchen wir Menschen die Extremerfahrungen, um auch nur irgendetwas zu begreifen. Zum Beispiel, dass täglich 2 Promille und 3 Stunden Schlaf keine super gute Rezeptur für einen nachhaltig erholsamen Urlaub sind.
Möglicherweise habe ich da auch was übersehen: Vielleicht sind so viele Menschen in ihren Berufen unterfordert, dass sie auf Reisen endlich mal die überschüssigen Energien loswerden und an ihre Grenzen gehen können. Ab nach Malle, bevor der Bore-Out droht. Als Präventionsmaßnahme gesponsert von der Ortskrankenkasse.
Und dann sabbeln sie gemeinsam in ihren Sangria-Eimer, grölen grässliche Lieder von Andrea Berg und lachen über all die Langweiler dieser Erde. Die Exzess-Verweigerer, die Wasser-Trinker, die Früh-ins-Bett-Geher.
Über mich.
Ja, ich bekenne, ich bin der langweiligste Reise-Langweiler aller Zeiten. Fast schon ein Reise-Flüchtling. Ich flüchte inzwischen vor allem, was für andere zum Urlaub dazugehört: vor Animateuren, vor Clubs, vor lauten Menschenmassen, vor dem allgegenwärtigen „die Sau rauslassen“.
Ich lass die Sau lieber leise galoppieren. Mit Yogi-Tee im Futtertrog. Stallschluss um 22 Uhr. Nochmal gemütlich zum Einschlafen grunzen und dann volle Kanne Erholung. Selbst der Durchschnitts-Rentner im Wohnmobil ist länger wach, schließlich wird erst nach der Heute-Sendung um 22.15 Uhr die Satellitenschüssel eingefahren.
Je stiller die Stille am Reiseort, desto mehr innere Zufriedenheit macht sich breit. Die Seele jubiliert, die Stresshormone gehen auf rasante Talfahrt.
Bleibt einzig die bange Frage: „Ist das nur still hier oder bin ich schon tot?“
Im Zweifel einfach von anwesenden Bettgenossen gegen das Schienbein treten lassen. Die Antwort dürfte interpretationsfrei sein.
Und welch Segen am nächsten Morgen! Während beim Partyvolk erst langsam der Promille-Abbau anläuft und der Helene-Fischer-Tinnitus noch voll aktiv ist, geht’s für den Langweiler nach 8 Stunden Schlaf direkt zum Sonnenaufgang ans Meer.
Atmen, bewegen, staunen, jubilieren. Göttliche Ruhe. Fiesta Mexicana für Stillebedürftige. Ein schöner Tag. Die Welt steht still. Ganz ohne Bierglas in der Hand.