Kathedrale von evora, Portugal

Portugal: Von der Seefahrernation zur Nelkenrevolution

Wer durch die Steinbögen wandelt, vorbei an imposanten Herrenhäusern und über Steinplatten, die über die Jahrhunderte glattgetreten wurden, spürt: In Guimarães ist Geschichte lebendig. Man fühlt sich hier unmittelbar ins Mittelalter zurückversetzt wenn man in der Innenstadt am mit Zinnen gekrönten Rathaus Paços Municipais vorbeischlendert. Hier wurden im Mittelalter Pilger aufgenommen, die auf dem Weg nach Compostela waren. Die Stadt im Norden des Landes gilt als Wiege Portugals. Niemand geringes als Afonso Henriques wurde hier geboren, der erste König Portugals. Doch bis Portugal Königreich wurde, war es ein langer Weg. Portugal ist einer der ältesten Nationalstaaten Europas. Als Seefahrernation kam es zu Ruhm und Reichtum. Doch das Land war auch immer politischer Spielball und von Fremdherrschaft und einer 40-jährigen Diktatur betroffen.

Guimarães, die Wiege Portugals
Die Wiege Portugals.

Iberer, Kelten, Keltiberer und Mauren – Die kulturellen Einflüsse Portugals

Bereits 2000 v. Chr. lebten Iberer, die vermutlich aus Afrika übersiedelten, im Gebiet des heutigen Portugals und Südspaniens. Später, etwa ab dem 7. Jahrhundert v. Chr., siedelten sich Kelten im Norden des Landes an. Die beiden Volksgruppen vermischten sich im Laufe der Zeit mit den Iberern im Süden zu den sogenannten Keltiberern. Die Römer kamen dann etwa ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. in die Provinz Lusitanien und hinterließen deutliche Spuren: Sie bauten Städte, Straßen, Viadukte und später Häfen. Sie prägten das Land auch mit ihrer Sprache, aus dem sich später das Portugiesische entwickelte. Auch die Eisenverarbeitung, Steinbergwerke, Keramikherstellung geht auf die Römer zurück. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte verbreitet sich das Christentum.

Germanenstämme wüsteten im 5. Jahrhundert n. Chr. im heutigen Portugal. Sueben und Westgoten teilten die Gegend untereinander auf und schließlich eroberten im Jahr 711 die Mauren die Iberische Halbinsel. Die afrikanischen Muslime brachten viele Neuerungen in das Land. In der Landwirtschaft etablierten sie Terrassenfelder, Bewässerungssystem und neue Nutzpflanzen. Auch die für Portugal so typischen handbemalten Fliesen, die die Häuser zieren, haben die Mauren mitgebracht und prägen bis heute das Gesicht der Städte.

Unabhängiges Königreich: Portugal im Mittelalter

Coimbra, Portugal
In Coimbra fühlt man sich wie auf einer Zeitreise.

Ab 1037 drängten Christen die Mauren mit der Reconquista, der Rückeroberung, nach und nach aus Portugal. König Alfons VI. von Kastilien war es, der der die Weichen für die Zukunft stellte. Er übertrug die Verwaltung der Grafschaft Portugal an das Haus Burgund und somit an seinen Schwiegersohn Heinrich. Dieser strebte mit seinem Sohn Afonso die Unabhängigkeit von Kastilien an. Im Jahr 1139 erklären sie die Grafschaft zum unabhängigen Königreich und Alfons I. zum König. Die Hauptstadt des Königreichs war bei Gründung Guimarães. Doch schon bald wurde der Regierungssitz nach Coimbra verlegt und blieb dort bis ins Jahr 1256. Heute ist Coimbra vor allem für seine Universität bekannt. Die 1290 von König Dom Dinis gegründete Universität ist die älteste Universität des Landes und eine der ältesten Europas. Sie wurde auf dem Gelände eines ehemaligen Palastes erbaut. Sehenswert ist vor allem die barocke Bibliothek, die Biblioteca Joanina. In der Altstadt befindet sich die romanische Kathedrale Sé Velha, die im 12. Jahrhundert erbaut wurde.

In vergangene Zeiten zurückversetzt fühlt man sich spätestens dann, wenn einem die Studenten in ihren schwarzen traditionellen Roben begegnen, die sie noch heute tragen.

Eine Stadt, in der das Mittelalter lebendig wird, ist das historische Évora. Die Stadt ist eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Orte Portugals. Wer innerhalb der Stadtmauern aus dem 14. Jh. wandelt, kommt durch schmale Gassen, an römischen Ruinen, mittelalterlichen Kreuzgängen und der prachtvollen Kathedrale vorbei.

Seefahrernation und Kolonialzeit: Portugal wird Weltmacht

Es ist ein 52 Meter hohes Denkmal aus Beton, das direkt am Ufer des Tejo an der Einfahrt zum Lissabonner Hafen, das den Touristen heute am ehesten mit Portugal als Seefahrernation in Berührung bringt. Es ist die glanzvollste Zeit des Landes, die Portugal zu Weltruhm brachte: Die Zeit als Seefahrernation und Kolonialmacht im 15. und 16. Jahrhundert. Das Zeitalter der Entdeckungen brachte Portugal Ruhm, aber auch die Vormachtstellung im Gewürzhandel und somit großen Reichtum. An der Spitze des Denkmals steht Heinrich der Seefahrer. Er war es, der unzählige Entdeckungsreisen in Auftrag gab und finanziell ermöglichte. Er ebnete den Weg für Portugal zur Kolonial-und Seemacht. Auch der bekannteste der Seefahrer ist vertreten: Vasco da Gama, der den Seeweg nach Indien entdeckte.

Plastiken: Die Entdecker mit Vasco da Gama
Die Entdecker: Portugals Weg zur Weltmacht

Über das Leben von Vasco da Gama ist nicht viel belegt. Vermutlich wurde er 1469 als Sohn englischer Adliger geboren. Sein Vater war Ritter und Vasco da Gama trat 1480 dem Ritterorden von Santiago bei, dem ersten belegten Hinweis auf sein Leben. König Manuel I. war es, der Vasco 1497 den Auftrag erteilte, den Seeweg nach Inden zu finden um günstigere Handelswege und Produkte zu finden. Am 8. Juli 1497 legte seine Flotte mit rund 170 Mann am Lissabonner Hafen ab. Nach knapp einem Jahr auf See errichten sie am 20. Mai 1498 Calicut an der indischen Malabarküste.

Als Kolonialmacht erschlossen die Portugiesen zunächst Madeira und die Azoren. Es folgten Guinea-Bissau, die Kapverden, Angola und Mosambik. Zwei Jahre nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien kamen Seefahrer auf dem Weg nach Indien vom Kurs ab und entdeckten per Zufall Brasilien. Es folgten Kolonien in Brasilien, Macau und Ost-Timor. Der südwestlichste Punkt des europäischen Festlands, die Klippen des Cabo São Vicente ist ein Ort, der an diese Zeit der Seefahrer erinnert.

Hier segelten die portugiesischen Seefahrer im Zeitalter der goldenen Jahre der Entdeckungen auf ihrem Weg ins Unbekannte vorbei. Voller Neugier, Ungewissheit und Abenteuerlust. Ein Museum am Cap widmet sich der Seefahrerzeit Portugals und macht die Vergangenheit an diesem geschichtsträchtigen und magischen Ort erlebbar. Die Kolonialzeit Portugals endete schließlich abrupt: Der König Dom Sebastião starb 1578 in Nordafrika ohne einen Thronfolgen hinterlassen zu haben. Spanien nutze die Gelegenheit und übernahm ab 1580 für 60 Jahre die Herrschaft. Portugals politische Bedeutung schwand zunehmend. Erst 1640 konnten die Portugiesen den Thron zurückerobern.

Eine Allianz mit England führte dazu, dass Portugal als Ort für die Kriegsaustragungen zwischen England und Frankreich herhalten musste. 1807 besetzte dann Napoleon Lissabon, was dazu führte, dass das portugiesische Königshaus seinen Regierungssitz nach Rio de Janeiro verlagerte und das bis ins Jahr 1821. Ein Kuriosum! Noch nie zuvor wurde eine europäische Hauptstadt in eine Kolonie verlegt.

Portugals südwestlichster Zipfel Europas
Der südwestlichste Zipfel Europas.

Der Weg in die Diktatur und die Nelkenrevolution

Ausgelöst durch einen militärischen Aufstand 1910 endete nach 771 Jahren die portugiesische Monarchie und wurde durch die Erste Portugiesische Republik abgelöst. Es folgte eine chaotische Zeit: 16 Jahre, 45 Regierungen, acht Präsidenten und 26 Putschversuche, das ist Bilanz dieser instabilen Übergangsphase. Der Militärputsch im Jahr 1926 von General Gomes da Costa läutete eine folgenreiche Ära ein, die vierzigjährige autoritäre Diktatur durch António de Oliveira Salazar. Der Volkswirtschaftsprofessor der Universität Coimbra wurde zunächst Finanzminister, später Ministerpräsident. Er sorgte mit dem sogenannten „Estado Novo“ dafür, dass Portugal in eine wirtschaftliche und politische Isolation geriet. Medien, Wahlen und Bürgerrechte wurden kontrolliert und eingeschränkt und somit jegliche Kritik am Regime im Keim erstickt. Sein berüchtigter Polizeiapparat verfolgte Kommunisten und Regimekritiker gnadenlos.

Salazar war Zeit seines Lebens davon überzeugt, zum Wohle Portugals zu handeln und doch trieb er das Land in die weltpolitische Isolation und in den wirtschaftlichen Ruin.

Um seinem Volk einen besseren Lebensstandard bieten zu können, holte er Unmengen an Rohstoffen und Lebensmitteln aus den Kolonien. Die Ausbeutung in den Kolonien führte zu Guerillakriege und dem Streben nach Unabhängigkeit. 1968 erlitt der Diktator einen Hirnschlag und Marcello Caetano übernahm die Führung der Diktatur und ein Land, das wirtschaftlich am Boden lag. 1974 beendet ein Militärputsch die Diktatur.
Der als sogenannte „Nelkenrevolution“ bekannt geworden Putsch wurde vom von der linksgerichteten Armeegruppe Movimento das Forças Armadas friedlich ausgeführt und vom Großteil der Bevölkerung unterstützt. Doch wenige regimetreue Truppen feuerten auf friedliche Demonstranten und sorgten für vier Todesopfer. Durch die Nelkenrevolution, der Name kommt von den roten Nelken, die in die Gewehrläufe gesteckt wurden, konnten letztendlichen 1976 die ersten freien demokratischen Wahlen durchgeführt werden, es wurde eine Verfassung eingeführt und die Dritte Portugiesische Republik gegründet.

In Erinnerung an den Tag der Befreiung gibt es in fast jeder Stadt eine Straße namens „Rua 25 de Abril“, dem Tag der Revolution. Der Nelkenrevolution ist es zu verdanken, dass sich Portugal zu einer stabilen Nation in Europa entwickeln konnte. Portugal war Gründungsmitglied der NATO und der OECD, ist Mitglieder der Vereinten Nationen, des Europarats und des Schengener Abkommens.

Dem reichen kulturellen Erbe und den Schönheiten der Natur – von der Algarve bis ins Hinterland, ist es zu verdanken, dass der Tourismus für gute Einnahmen sorgt und das ehemals arme Land einen wirtschaftlichen Auftrieb erlebte. Die mittelalterlichen Dörfer im Inland mit den Weingütern, römische Ausgrabungen, atemberaubende Strände und Städte wie Lissabon und Porto mit kulturellen Highlights wie dem Fado – all bildet das größte Kapital des Landes, das es zu bewahren gilt.

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