In der Kolumne „Meine ReiseZutaten“ philosophieren wir über Gott und die Reisewelt. Welche guten Zutaten braucht eine Reise? Was versalzt uns gerne mal die Reise-Suppe? Und wann denken wir: „Wer bitteschön hat denn DAS bestellt?“ In Folge 20 dreht sich alles um Pannen.
Meine ReiseZutaten (20): Pannen
13,2 Millionen Treffer bei Google! 13,2 Millionen Seiten, auf denen jemand nach dem Begriff „Der perfekte Urlaub“ gesucht und etwas gefunden hat. Völlig verrückt, oder?
Wie kommt jemand auf die Idee, nach dem perfekten Urlaub zu suchen? Außer natürlich er schreibt gerade eine launige Kolumne über das Thema und wird vom Schicksal geradezu gezwungen.
Aber sonst? Was für ein Wahnsinn. Nach was suchen die Leute denn demnächst? Nach „Kindern, die nicht schreien“ oder nach „Kühen ohne Kuhscheiße“?
Hallo, aufwachen! Das Leben ist nicht perfekt. Zum Glück. Mal ist es geil, mal nervt es und mal stinkt es einem.
Selbst in den Rosamunde-Pilcher-Filmen muss einer vor dem Happy End erstmal auf die Fresse fliegen. So läuft das nunmal.
Doch trotzdem gibt es echt Leute, die den perfekten Urlaub anstreben oder erwarten? Sind das dieselben, die nach dem perfekten Partner, dem perfekten Job und dem perfekten Haus suchen? Welche Überdosis an Langeweile wurde diesen bedauernswerten Zeitgenossen gespritzt?
Denn mal ganz ehrlich: Wer möchte auch nur länger als 5 Minuten bei jemandem eingeladen sein, der von einem perfekten Urlaub erzählt? Wo die Romantik aus den Sonnenuntergangs-Fotos tropft und der Weißwein aus den stilvollen Gläsern der Strandbar.
Wir Menschen wollen Geschichten hören, bei denen es zur Sache ging. Und selbst, wenn nicht das Leben direkt in Gefahr war (falls doch, umso besser die Story): bei denen Dinge passiert sind, die sich nun wirklich niemand im Vorfeld gewünscht hätte.
Gebuchte Hotels, die es vor Ort gar nicht gibt. Markthändler, die einen so richtig übers Ohr hauen. Frisch verliebte Zimmernachbarn, deren Liebesspiel gefühlt drei ununterbrochene Tage dauert. Wagen, die im Wüstensand stecken bleiben. Stürme, die einen auf der Urlaubsinsel festhalten, weil alle Fährverbindungen gestoppt werden.
DAS sind die Geschichten, bei denen die Zuhörer sabbelnd an den Lippen des Reiseerzählers hängen. Wenn wir uns in neuen Umgebungen bewegen, ist es ja geradezu grotesk, wenn alles nach Plan läuft. Oder zumindest nach dem, was wir in unserer eingeschränkten Sichtweise für den Plan halten.
Wer auf Reisen keine Pannen erlebt, hat einfach nichts Lustiges oder Dramatisches zu erzählen. Also wird es Zeit für einen Perspektivwechsel: Lasst uns doch einfach für jede Panne von Herzen dankbar sein. Sie beschert Gesprächsstoff und lang anhaltende Erinnerungen.
Pannen sind nicht bäh. Pannen sind yippieh!
Ja okay. Als ich mich damals nachts um 1 Uhr auf den Lofoten aus meinem VW Bus ausgesperrt habe, war der erste Gedanke auch nicht so yippieh-mäßig. Doch notdürftig eingewickelt in die Bodenabdeckung des Vorzelts und bewaffnet mit einer Flasche Rotwein gegen die ärgste Kälte, habe ich eine Gratislektion in Geduld und Demut bekommen.
Und am nächsten Morgen war ich dank des norwegischen Abschleppdienstes, der eine Stunde lang an der Tür herumfummelte, plötzlich der Star des Campingplatzes. Vom Deppen zum viel gefragten Mann. So schnell kann’s gehen, wenn man eine Panne mit Humor nimmt.
Inzwischen feiere ich jede Panne auf Reisen (mal schneller, mal mit ein wenig Anlaufzeit; ich drucke mir den Text hier am besten als Erinnerung aus). Weil sie mir etwas über mich und andere beibringt. Weil sie im Nachhinein gesehen (fast immer) lustig ist. Weil sie den Fokus dafür schärft: Ist das jetzt wirklich lebensbedrohlich? Und wenn nicht, wieso rege ich mich drüber auf anstatt zu lachen?
Ach übrigens: Die Anfrage „Die lustigsten Reisebeschwerden“ bei Google beschert 28 Millionen Treffer. Scheint so, als sei der perfekte Urlaub möglicherweise doch eine Illusion.