Hinter einer Mauer mitten in der wilden Vegetation des Rajaji Nationalparks befinden sich die Ruinen des wohl berühmtesten Ashrams Indiens. Das Maharishi Mahesh Yogi Ashram in Rishikesh erregte in den späten 1960er Jahren Aufsehen in der westlichen Welt – Grund dafür waren fünf legendäre Pilzköpfe, die 1968 einige Wochen bei ihrem Guru verbrachten: The Beatles. Die Band fand bei Maharishi nicht nur Zeit für Yoga und Meditation, sondern schrieb auch einige Songs für das White Album.
Auch wenn die Beatles nur wenige Wochen bei Maharishi residierten und sich später gänzlich vom umstrittenen Erfinder der transzendalen Meditation distanzierten, machten sie die spirituelle Stadt rund 240 km nördlich von Delhi weltberühmt.
Seither ist Rishikesh Anziehungsort für Sinnsuchende, Yogis aber auch Backpacker und Adrenalinjunkies aus aller Welt, denn neben der Sinnsuche steht das Abenteuer in Rishikesh hoch im Kurs.
Beatles-Ashram – der Rückzugsort für Affen
Das Beatles-Ashram wurde 1997, nachdem der Guru das Land verlassen hatte, aufgegeben und ist seitdem in erster Linie Rückzugsort für Affen und vereinzelte Sadhus. Obwohl die Anlage vom Verfall gekennzeichnet ist, zeugt sie noch immer von einer beeindruckenden Architektur und dem Geist vergangener Tage. Kleine Kieselsteinchen bedecken die Wände der Gebäude mit schmückenden Mustern, separate Wohn- und Meditationshöhlen säumen die geschwungenen Wege. Hoch oben auf den Dächern der Anlage befinden sich weiße Kuppeln, die schon von Weitem die Blicke auf sich ziehen. Hier konnten sich die Inspirationssuchenden zurückziehen, meditieren und die Natur auf sich wirken lassen.
Die große Meditationshalle im Zentrum des Ashrams ist heute eine Art Gedächtnishalle für die „Fab four“. Graffitis der berühmten Bewohner, aber auch des Gründers selbst, zieren die Wände. Jahrzehntelang war der Zutritt zu den Ruinen nur durch ein ordentliches Bakschisch an den Wachmann möglich, doch bald sollen die Häuser renoviert und die Anlage für Touristen zugänglich gemacht werden.
Rishikesh gilt als Welthauptstadt des Yoga
Das verlassene Maharishi-Ashram bildet das I-Tüpfelchen der spirituellen Hochburg. Doch die Stadt, deren Name „Ort der Seher“ bedeutet, hat noch weit mehr zu bieten. Das rund 102.000 Einwohner große Rishikesh gilt als Welthauptstadt und Ursprungsort des Yoga. Jährlich findet hier im März das Internationale Yogafestival statt, zu dem tausende Yogaanhänger in die Stadt am Ganges pilgern. Doch auch sonst geht es geschäftig in Rishikesh zu, denn die Stadt ist nicht nur selbst ein Wallfahrtsort, sondern auch Ausgangspunkt für Pilgerfahrten nach Badrinath, Kedarnath, Gangotri sowie das Tor zum weiter nördlich gelegenen Himalaya.
Ebenfalls aus dem Himalaya kommt der Ganges, der sich noch sprudelnd und sauber seinen Weg durch das Gebirge in die Stadt bahnt. Über dem heiligen Fluss spannt sich im nördlichen Teil der Stadt die imposante Laxman Jhula, eine rund 140 m lange und 20 m hohe Hängebrücke, weiter südlich folgt die Zweite namens Ram Jhula.
Die Brücken sind für Fußgänger ausgerichtet, doch die Bewohner sehen das nicht so eng. Roller, Fußgänger, Kühe und Affen teilen sich den Platz auf dem schwankenden Hängekonstrukt. Wer keine Höhenangst und einen unempfindlichen Magen hat, ist klar im Vorteil.
Zwischen diesen beiden Brücken erstreckt sich der lebhafte, bei Touristen beliebte Teil der Stadt namens Muni-ki-reti. Hier reihen sich Ashrams an Cafés, Restaurants an Tempel und Souvenirsshops an Internetcafés. Auf der anderen Seite des Flusses befindet sich an der Straße zu Dehradun die sogenannte High Bank, ein ruhiger Stadtteil mit einfachen Unterkünften. Allein wegen des Ausblicks lohnt sich der steile Anstieg: Idyllisch schlängelt sich der Ganges durch die Stadt, im Hintergrund breitet sich der Dschungel bis in die Berge aus. Über den Baumwipfeln luken die Meditationshöhlen des Beatles-Ashrams wie riesige Eier heraus – eine beeindruckende Kulisse.
Viele der Restaurants in Rishikesh sind auf internationale Touristen und Backpacker eingestellt. Pancakes zum Frühstück, Salate zum Lunch, am Nachmittag ein Stück Kuchen in der German Bakery? Gar kein Problem! Der Besuch der Backpacker-Cafés lohnt sich aber dennoch, denn viele von ihnen bieten eine ausgezeichneten Blick über den Ganges, der je nach Stand der Sonne in spektakulären Farben glitzert. So sitzt man im Little Buddha Café direkt über dem Flussufer oder genießt die Aussicht vom Pyramid Café, das neben der höher gelegenen Lage mit einer kreativen Küche und gesunden Zutaten wie Spirulina und selbstgemachten Kombuchatee punktet.
Pancakes, Yakkäse und Dal – alles rein vegetarisch
Exzellente regionale Küche findet man rund um die Ram Jhula. Hier gibt es die vor allem bei Einheimischen beliebten kleinen Restaurants mit ausgezeichneten Thalis, regionalen Spezialitäten wie Yakkäsesalat und grandiosen Dals. Was man in Rishikesh jedoch vergeblich sucht, ist Fleisch. Die gesamte Stadt ist rein vegetarisch und auch Alkohol ist offiziell verboten. Doch die Inder sind einfallsreich: In den Kühlschränken lagert versteckt in zweiter Reihe das ein oder andere Bier. Heimlich in Tüten gepackt und zur Verschwiegenheit verpflichtet, muss selbst der durstigste Tourist auf das geliebte Bier nicht verzichten. Doch wer die Rishikesh wirklich erleben will, sollte es einfach einmal versuchen und sich auf die Regeln der heiligen Stadt einlassen.
Leben im Ashram für Anfänger und Fortgeschrittene
Bei Meditation zur inneren Ruhe finden, das karge Klosterleben erfahren und beim Yoga Körper und Geist trainieren: Zum Besuch in Rishikesh gehört der Aufenthalt im Ashram dazu. Im ursprünglichen Sinne war das Übernachten im Ashram kostenlos. Der Besucher hilft bei den anfallenden Arbeiten und erhält dafür freie Kost und Logis. Heute haben aber auch viele Ashrams ihren Marktwert erkannt und vermieten Zimmer an Gäste. Gegen Bezahlung bieten sie Übernachtung, Verpflegung sowie Yoga- und Meditationsstunden an und gleichen oftmals mehr einem Hostel als einem Kloster. Vom Anfänger bis zum erfahrenen Yogi, vom neugierigen Tourist bis zum spirituellen Sinnsucher und Chantingprofi: In Rishikesh gibt es für jeden Interessierten das richtige Ashram.
Für Anfänger eignet sich das Sri Sant Sewa Yoga Ashram direkt an der Laxman Jhula. Hier kann man für umgerechnet circa 8 Euro pro Nacht in einer einfachen Unterkunft für ein paar Tage ins karge Ashramleben schnuppern. Morgengebete, Yogastunden und Meditationsübungen stehen dabei auf dem Programm.
Das größte Ashram in Rishikesh ist das Parmarth Niketan Ashram. Im Garten der Anlage lassen sich die für den westlichen Geschmack etwas kitischig anmutenden Götterfiguren bewundern, von den einige mit echten Spezialeffekten ausgestattet sind. So zum Beispiel die Hanumanfigur, die mit Lichteffekten und Geräuschen ihre Brust öffnet und dort den Blick auf Rama und Sita freigibt.
Hier im Niketan-Ashram findet nicht nur das jährliche Yogafestival statt, an das die große Shivafigur in den Wellen des Ganges erinnert, sondern auch allabendlich die Ganga Aarti, einer der schönsten Traditionen der indischen Kultur. Nur in den drei heiligen Städten Varanasi, Haridwar und Rishikesh werden die abendlichen rituellen Feueropfer für die Mutter Ganga dargebracht.
Wenn die Sonne untergeht, strömen die Menschen zum Fluss, kaufen an den rasch aufgebauten Ständen kleine Schiffchen mit Blüten und Kerzen, die sie später in dem Fluss treiben lassen. Dicht gedrängt sitzt man an den Ghats, den Treppenstufen zum Ganges, den Blick auf die Bewohner des Ashrams gerichtet, die die Zeremonie begleiten.
Sie halten brennende Öllampen in den Händen, die sie in rhythmischen Bewegungen um ihre Körper kreisen. Der Schein der Flammen erhellt die Gesichter, das monotone Geräusch der Gebetsgesänge erfüllen die Luft. Eine gespannte, feierliche Stimmung liegt in der Luft.
Einer der Mönche nimmt Gaben entgegen, die er der heiligen Mutter Ganga übergibt: Milch, Yoghurt, Farbpulver und Blüten fließen nacheinander in den Fluss. Nun ist es an der Zeit, die Kerzen der Blumengestecke zu entzünden und sie behutsam in die Wellen zu geben. Es gehört ein bisschen Durchsetzungsvermögen und Geduld dazu, bis man direkt am Wasser angelangt ist. Auch beim Beten scheint jeder der Erste sein zu wollen, um seine guten Wünsche in die Fluten zu entlassen.
Weniger religiös, aber mit ebenso viel Musik, geht es ein paar Schritte flussaufwärts der Ganga Aarti zu. Am Ghat unterhalb des Sri Sant Sewa Ashrams treffen sich abends Weltenbummler und Backpacker. Israelis, Spanier, Deutsche und Amerikaner sitzen hier zusammen, singen, spielen Gitarre und tanzen bis spät in die Nacht. Wer sich auf den Stufen dazugesellt, kann sich der ausgelassenen Stimmung kaum entziehen. Vielleicht befindet sich auch ein Feuerkünstler unter den Gästen, der seine faszinierenden Künste vor dem begeisterten Publikum zur Schau stellt.
Yogis, Backpacker, Abenteurer
So unterschiedlich wie die Gäste sind auch die Unterkünfte Rishikeshs. Neben den Ashrams gibt es auch unzählige Alternativen. Vom spottbilligen Privatzimmer über quirlige Hostels, moderate Mittelklasse-Hotels bis hin zu Luxusressorts mit Pool bietet Rishikesh die ganze Bandbreite. Besonders beliebt sind die Adventure-Camps flussaufwärts. Hier campieren junge einheimische und ausländische Touristen in Zelten direkt am Ganges, um hier die reißende Kraft des tosenden Gebirgsflusses am eigenen Leib zu erfahren – und zwar beim Rafting. Mit Schwimmwesten bekleidet stürzen sich die Gruppen in großen Gummibooten in die Fluten; Wasserschnellen und Strömungen sorgen für eine gehörige Portion Adrenalin.
Wer in Rishikesh auf der Suche nach Abenteuer ist, findet sie in vielfältiger Form: Neben dem Raften stehen Klettern, Kayakfahren, Bungeespringen,Trekking, Kliffspringen oder Beachvolleyball auf dem Programm.
Ob man für Beachvolleyball nicht Strand braucht? Stimmt! Und den gibt es direkt hinter der Laxman Jhula. Schneeweißer und pulverweicher Sand säumt hier den Fluss, doch baden sollte man hier dennoch nicht. Nicht etwa weil der Ganges verschmutzt wäre, sondern wegen den gefährlichen Strömungen. Der wilde Gebirgsfluss ist hier noch unberechenbar und fordert jedes Jahr aufs Neue Todesopfer unter den unbedarften Touristen. Aus diesem Grund kontrolliert die Polizei von Zeit zu Zeit die Strände und verscheucht die Badegäste von ihren idyllischen Plätzchen.
Ein kühles Bad im Wasserfall
Wer sportliche Betätigung mit der landschaftlichen Schönheit in Einklang bringen möchte, sollte die Wasserfälle im nahegelegenen Dschungel besuchen. Beispielsweise die Neer Garh Wasserfälle etwa 3 km flussaufwärts der nördlichen Brücke. Der Weg ist steil, aber absolut lohnenswert. Durch den Dschungel erklimmt man den Wasserfall, in dessen natürlichem Wasserbecken man sogar ein kühles Bad genießen kann.
Ebenfalls eine Wanderung wert ist der Besuch des Neelkanth Tempels. Auf 1300 m Höhe befindet sich ein Shiva-Tempel, zu dem ein jahrtausendealter Pilgerweg führt. Der Weg ist beschwerlich, aber bietet eine einzigartige Natur. Er führt durch den Rajaji Nationalpark, in dem sogar indische Tiger, Leoparden und Lippenbären zuhause sind. Wer weiß, vielleicht hat man Glück und kann einen Blick auf die scheuen Tiere erhaschen.
3 Tipps für einen Besuch in Rishikesh:
1.) Yogastunde in einem der Yogacenter
2.) Wanderung zum Wasserfall Neer Garh
3.) Ganga Aarti vorm Ashram Parmarth Niketan miterleben
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Titelfoto: © Depositphotos.com/Aliaksandr Mazurkevich
Restliche Fotos: Julia Schattauer