Man kann sich kaum entscheiden, was prächtiger ist: Die mit bunten Halftern und bestickten Decken geschmückten Pferde, die mit goldenen Applikationen und Quasten verzierten Trachten der Nomadenstämme oder die Dattelpalme, die „Königin der Wüste“, die der Gegend Einnahmequelle und Grund zum Feiern gleichermaßen bietet.
In der südtunesischen Oasenstadt Douz, dem sogenannten „Tor zur Sahara“ findet jährlich nach der Dattelernte im Dezember das „Festival International du Sahara“ statt. Was vor über hundert Jahren als Kamelrennen begann, ist heute das größte Spektakel der Wüste. Vier Tage lang treffen sich Einheimische und Gäste aus nah und fern, um den unterschiedlichsten Wettbewerben und Aufführungen beizuwohnen.
Douz, das Tor zur Sahara
Rund 30.000 Einwohner zählt das Städtchen Douz am Rande der Sahara. Die größte Wüste der Erde erstreckt sich quer durch Nordafrika vom Atlantik zum Roten Meer. Rund neun Millionen Quadratkilometer voller Sand, Geröll und Gesteinsplateaus, die von Wind, Sonne und seltenen Niederschlägen geformt wurden. Bewohnt wird die Gegend traditioneller Weise vom halbnomadischen Mrazig-Stamm, einem arabischen Beduinenstamm, der im 8. Jahrhundert die Arabische Halbinsel verließ, um sich im 13. Jahrhundert in Tunesien anzusiedeln. Heute sind viele in Douz sesshaft geworden und leben von der Dattelernte. Rund 300 Dattelsorten gibt es in Tunesien, die wohl beste davon in Douz: Deglet en Nour. Das „Gold der Oase“ ist für die Bewohner von Douz mehr als irgendeine Frucht.
Wer Touren in die Wüste plant, egal, ob mit Kamel oder Quad, der startet meist hier. Douz hat sich mit kleinen Cafés und Souvenirständen an den Touristenstrom angepasst. Jeden Donnerstag findet der Wochenmarkt statt. Aus allen Teilen des Landes kommen dann Händler in die Oase und verkaufen ihre Waren. Kamelleder, Berberschmuck, Werkzeug und Lebensmittel wechseln hier den Besitzer.
Doch einmal im Jahr lässt ein Fest den Trubel am Donnerstag blass aussehen. Immer dann, wenn die Dattelernte zum Ende kommt, strömen Besucher aus ganz Tunesien, den angrenzenden Ländern und Touristen aus aller Welt nach Douz. Dann wird das älteste Festival Tunesiens, das „Festival International du Sahara“ gefeiert.
Festival International du Sahara – Vom Kamelrennen zum Folklore-Festival
Der Ursprung des Festival geht ins Jahr 1910 zurück. Beim “Fest der Kamele”, der hier ansässigen Mherazig-Berberstämme gingen die Mehari-Kamele beim Marathon an den Start. Ab dem Jahr 1967 wurde das Kamelrennen zu einem Folklorefestival erweitert, bei dem erstmals die unterschiedlichsten Wettkämpfe und Aufführungen stattfanden, die auch heute noch beim Festival zu sehen sind.
An den vier Tagen des Spektakels verwandelt sich Douz den farbenprächtigen Mittelpunkt Nordafrikas. Berber- und Nomadenstämme aus Tunesien wetteifern mit ihren Tieren bei den traditionellen Wüstensportarten um die Ehre.
Das Highlight bietet der 42 km lange Kamelmarathon, bei dem sich die prächtigsten Kamele in Schönheit und Geschwindigkeit messen. Rasant geht es auch bei den Araberrennen zu, bei dem nicht nur die Pferde im Fokus stehen, sondern auch ihre Reiter. Fruchtlos erheben sich die Reiter in halsbrecherischer Manier aus ihren Sätteln, machen Kunststücke und springen auch gerne unter tosendem Applaus auf den Rücken des Nachbarpferdes.
Neben dem Sport spielt die Kultur eine große Rolle. Im Stadion gibt es bunte Umzüge der Musikgruppen zu bestaunen, Reiterparaden und die Sieger der Langstreckenrennen zu Kamel und zu Pferd sowie des Windhundewettbewerbs werden hier gekürt. Ein weiteres Highlight sind die traditionelle Tänze wie der Haartanz der Berbermädchen. Mit weiten Gewändern und offenen Haaren wiegen sie sich von einer auf die anderen Seite, schwenken ihre Haarpracht und verzücken damit nicht nur die Männer.
Wüstenromantik beim Saharafestival
Besonders beliebt sind auch die Vorträge der Dichter. Bei den Poesiewettbewerben und -vorträgen wird es romantisch. Die große Liebe, die Schönheit – davon träumen die Männer mit schmachtenden Worten. Kein Wunder, dass sich das Festival International du Sahara zu einer Art Hochzeitsmesse entwickelt hat. Die Chance so viele potentielle Partner an einem Ort zu sehen, ergibt sich hier nur einmal im Jahr bei dieser Großveranstaltung, und das will genutzt werden!
Die Mädchen schmücken sich mit Goldgehängen und feinsten Stoffen, die heiratswilligen Männer zwirbeln ihre Schnurrbärte besonders galant in die Höhe, Säbel bezeugen ihre Männlichkeit. Zum Abschluss des viertägigen Wüstenfestivals wird eine traditionelle Berberhochzeit inszeniert und das mit allem Drum und Dran: Kamelsänfte für die Braut, bunt gekleidete Musikanten, Gewehrschüsse in die Luft. Hier wird an nichts gespart.
Das Festival International du Sahara als Chance für die Region
Gespart wird auch nicht am Wasser. Dies ist ein Problem, das nicht nur während des Festivals besteht. Mit dem weltweiten Anstieg des Tourismus wurden auch exotische Ziele wie Wüsten und Oasen immer beliebter. So wichtig die Einnahmen aus dem Tourismus sind, die Wüste und ihre Bewohner zahlen dafür einen hohen Preis. Nicht nur der dabei anfallende Müll ist ein Problem, vor allem die Wasserversorgung in den trockenen Gebieten ist eine Herausforderung.
Die neu gebauten Hotels rund um die Oase und die große Düne „El Hofra“ haben eine enormen Bedarf an Wasser. Das fossile Grundwasser, das sich unter Oasen befindet reichte den wenige Touristen von früher aus.
Doch für Swimmingpools und grüne Rasenflächen muss das Wasser mit Motorpumpen aus Tiefen bis zu 3.000 Meter herausgepumpt werden und der Vorrat ist begrenzt. Durch das Pumpen sinkt der Grundwasserspiegel, Dattelpalmen vertrocknen und damit verschwindet die traditionelle Einnahmequellen vieler Bauernfamilien. Das „Bahr bela ma“, das Meer ohne Wasser, wie die arabischen Karawanenführer die Sahara tauften, ist von einem massiven Wasserproblem bedroht.
Die Regierung in Tunis unterstützt das jährliche Festival, an dem jeden Tag mehr als 10000 Besucher erwartet werden dennoch. Das Festival ist Treffpunkt für Familien, Nachbarn und Handelspartner aus den Nachbarländern.
Die Aufführungen auf dem Festival bewahren die Kultur und die Beziehungen der Einheimischen. Für Touristen ist das Wüstenfestival eine Möglichkeit die Wüstenkultur hautnah zu erleben. Solche Eindrücke bleiben im Gedächtnis und bringen nachhaltig eine Erkenntnis: Diese Landschaft mit seinen Bewohnern muss erhalten werden.
Wer Schönheit mit eignen Augen sieht, ist vielleicht eher gewillt sie zu schützen. Dazu gehört ein verantwortungsvoller Umgang mit Wasser und Müll, die bewusste Entscheidung für Hotels, die auf ressourcenschonende Abläufe achten und ein Umdenken im Reisen allgemein. So kann das Erlebnis „Festival International du Sahara“ auch eine Chance sein, diesen Lebensraum zu bewahren.
Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphoto – Costas Dumitrescu
Statue in Douz: © Depositphoto – Goran Jakuš
Reiter: © Depositphoto – Lukasz Janyst
Goldschmuck: © Depositphoto – Kairi Aun
Ein weiteres Festival – dieses auf Sardinien: Das Festival Sa Sartiglia auf Sardinien