Einsamkeit, das ist es, was den Alentejo am besten beschreibt. Lange galt diese Abgeschiedenheit als Makel, heute ist es durchaus ein Wettbewerbsvorteil, vor allem im Tourismus. Fernab des Trubels, gerade einmal fünf Prozent der Portugiesen leben hier, entwickelt sich in der Ruhe ein kleiner Boom. Wer einmal in der Region, die sich zwischen Atlantik und der spanischen Grenze erstreckt umgeschaut hat, weiß warum: Olivenbäume, Kork- und Steineichenwälder, Weinberge und Getreidefelder so weit das Auge reicht. Ein Kontrastprogramm zu Ferienparadies Algarve, vor allem für Individualreisende.
Korkeichen wachsen im Alentejo besonders gut
Das Klima im Alentejo sorgt für volle Lagerhäuser. So war die Region unter Salazar die Getreidekammer Portugals, es ist das größte Weinanbaugebiet des Landes. Aber vor allem gilt Alentejo als Herkunftsland für Kork. Nirgendwo sonst auf der Welt werden mehr Korkeichen angebaut als hier. Die Bäume brauchen viel Platz und durchschnittliche Jahrestemperaturen zwischen 13 und 17 Grad. Beides ist im Alentejo gegeben und so bedecken die Korkeichen rund 750 000 Hektar des Landes, der Großteil davon im Alentejo. „Montado“ nennt man die Korkwälder, die so typisch für diese Region sind.
Wer die die Weite der Korkwälder für ausgiebige Wanderungen nutzt, dem fallen schnell die Zahlen an den Bäumen auf. Anhand dieser Zahlen wissen die Bauern, wie alt die Rinde ist. Denn die erste Rinde kann erst nach 25 Jahren geerntet werden. Nach der ersten Ernte dauert es erneut acht bis zehn Jahre zur nächsten Rinde. Kein Wunder, dass ein Korkbauer so viele Bäume braucht. Eine Korkeiche liefert in ihrem Leben 100 bis 200 Kilo Kork.
Die Bewirtschaftung der Korkwälder geht zurück in die Zeit, als sich Kork als Verschluss für Champagner und Wein durchsetzte, das war Anfang des 17. Jahrhunderts. Die erste Ernte des Jahres wird in Portugal als „desbóia“ bezeichnet, Der Kork der ersten Ernte ist unregelmäßig und zu hart, um ihn zu Korken zu verarbeiten. Er wird meist für Fußbodenbeläge oder als Dämmmaterial benutzt. Erst die dritte Ernte, die sogenannte „amadi“ kann dann für Naturkorken verwendet werden.
Erntezeit: Nur von Menschenhand
Im Sommer, wenn die Sonne flirrend am Himmel steht, machen sich die Männer in zweier Teams an die Arbeit. Sie suchen einen erntereifen Baum und setzen mit einem scharfen Beil an eine Riss an. Nun wird die Rinde vorsichtig abgehobelt. Je größer die Stücke, desto wertvoller. Die Arbeit muss behutsam durchgeführt werden, sodass keine Maschine den Menschen bei der Ernte ersetzen kann. Ein Schäler verdient pro Tag bis zu 120 Euro und somit ist die Korkernte einer der bestbezahlten Erntearbeit in der Landwirtschaft weltweit.
Die Rinde lagert dann rund ein Jahr, bevor sie weiterverarbeitet wird. Kork ist widerstandsfähig, recycelbar, nachwachsend, hypoallergen, hat thermische und akustische Eigenschaften. Das führt dazu, dass das Naturmaterial vielseitig einsetzbar ist. Neben den Korken für Wein und Champagner kommt das Material in vielen weiteren Bereichen zum Einsatz. Kork wir in der Modebranche für Modeaccessoires, Kleidung und Schuhe verwendet. Auch als Lederersatz kommt es zum Einsatz. Kork wird außerdem für Bodenbeläge, Möbel, oder Wandverkleidungen verwendet.
Auf der Korkroute
In der Region um São Brás de Alportel in der Nähe von Faro heißt es, wird der beste Kork der Welt geerntet. Die “Rota da cortiça”, die Route des Korks, führt Interessierte ein verschiedene Stationen an das Thema Kork heran. Die Korkroute wird durch EU-Mittel gefördert. Der Kork soll als Naturprodukt, als innovativer Werkstoff und als Bestandteil des traditionellen ländlichen Lebens in sechs Stationen veranschaulicht. Die erste Station führt ins Museum von São Brás de Alportel, das einen Einblick in die Geschichte der Korkgewinnung gibt. Weiter geht es in die Serra do Caldeirão. Hier befinden sich die berühmten besten Korkeichen. Die Besucher können hier auf Tuchfühlung gehen und die Korkernte sinnlich erfahren. Hier geht es von der Theorie zur Praxis. Die dritte Station führt aus dem Wald zu den Dörfern des Barrocal, wo unter anderem eine Destille besucht werden kann. Die vierte und fünfte Station dreht sich um das Thema Tradition und Innovation. Zwei Korkfabriken werden besucht, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während die eine auf traditionelle Techniken setzt, ist die andere eine Unternehmen mit modernen Produktionstechnologien. Es ist interessant, den Wandel dieses Traditionshandwerks zu erfahren. Die letzte Station ist dann für vertiefendes Wissen und Fachmänner geeignet: Fachvorträge im „Centro de Recursos“ drehen sich um Nachhaltigkeit und Zukunftsvisionen. Denn Kork soll nicht nur mit der Produktion weiter die Wirtschaft antrieben, es ist der drittstärkste Wirtschaftszweig nach Fischerei und Tourismus, sonder auch einen Schwerpunkt im nachhaltigen Qualitäts- und Kulturtourismus bilden.
Kork als Chance für Tourismus und Umweltschutz
Touristen sollen demnach die Möglichkeit bekommen an der Korkernte teilzunehmen und bei Herstellern vor Ort Produkte erwerben können. Aber auch die Schätze der portugiesischen Geschichte ollen im Mittelpunkt stehen. So zum Beispiel die Krippen des Bildhauers Machado de Castro aus dem 18. Jahrhundert, die aus Kork hergestellt sind. In Sintra lassen sich Inneneinrichtungen aus Kork bewundern, wie im Chalet da Condessa d’Edla oder im Kloster Convento de SantCruz.
Der Wert des Korks geht über den des Traditionshandwerks hinaus, Kork spielt auch im Klimaschutz eine Rolle.
Der Klimawandel ist im Alentejo besonders spürbar. Wiederkehrende Dürrezeiten bringen Vorboten der Wüstenbildung. Die gesamten Korkeichenwälder des Mittelmeerraumes verwandeln jährlich 14 Millionen Tonnen des Treibhausgases Kohlendioxid in Kork. Das sind zehn Prozent des CO2-Ausstoßes im deutschen Straßenverkehr.
Ein Grund mehr, die Korkeichenwälder zu erhalten und zu fördern!
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