In der Kolumne „Meine ReiseZutaten“ philosophieren wir über Gott und die Reisewelt. Genauer gesagt hauptsächlich über die Reisewelt und alles, was dazu gehört. Welche guten Zutaten braucht eine Reise? Was versalzt uns gerne mal die Reise-Suppe? Was lässt uns vor Hochgenuss jubilieren? Und wann denken wir: „Wer bitteschön hat denn DAS bestellt?“ Immer gewürzt mit einer Prise schwarzen Humors und politischer Unkorrektheit. In Folge 3 dreht sich heute heute alles ums Camping.
Meine ReiseZutaten (3): Camping
Nein, ich möchte deine ausgeleierte Unterhose nicht sehen. Ja, lieber Camping-Nachbar, ich verstehe, dass du dich hier in der freien Natur so richtig ungezwungen fühlst. Aber ist es denn wirklich zu viel verlangt, dass du dir auf dem Weg zum Toilettenhäuschen zumindest eine Jogginghose und dein Schiesser-Feinripp-Unterhemd anziehst? Nein, deine Krombacher-Wampe möchte ich auch nicht zum Frühstück im Detail präsentiert bekommen.
Camping ist wie Himmel und Hölle. Der himmlische Teil: Freiheit, frische Luft, ein Glas Rotwein unter dem Sternenhimmel, dem See oder Meer ganz nahe, unschlagbar günstig (wenn man nicht gerade in der Hochsaison in Südfrankreich campt), große Hilfsbereitschaft. Die Hölle: siehe oben.
Dauercamper, die ihre miese Laune noch mit ins Wochenend-Domizil schleppen, bewacht von Gartenzwergen und Mini-Zäunchen. Über allem strahlt die potthässliche Lichterkette aus dem Weihnachts-Schlussverkauf.
Ich liebe Camping. Und ich hasse Camping. Die stabilste Hassliebe meines Lebens. Oder sollte ich besser sagen: Ich liebe Camping, aber ich hasse Campingplätze? Je deutscher der Platz, desto eher überwältigen mich panikartige Fluchtreflexe. Penibel wird in guter alter Blockwart-Mentalität über die Einhaltung der gefühlt 742 Benimmregeln gewacht.
Eine Reihenhaus-Siedlung in fest installierten Wohnwägen und riesigen Wohnmobilen. Satellitenschüssel oben drauf und fertig ist das Spießerglück. Fehlt nur noch, dass irgend jemand die Kehrwoche ausruft.
Camping – das ewige Duell der Spießigkeit gegen die Freiheit. Warum zieht diese Form des Reisens eigentlich zwei völlig unterschiedliche Typen an? Hier die Hippies im verrosten Bulli, die Sportler mit dem neueren VW Bus, die Langzeitreisenden mit ihren 40 Jahre alten Reisemobilen, die jungen Pärchen im ersten Auto und geliehenem Zelt. Und dort die Typen, die Überraschungen hassen. Die einfach nur auf dem Campingplatz 1:1 ihr monotones Leben von zuhause fortsetzen möchten. Warum lässt man diese Menschen in der schönsten Zeit des Jahres aufeinander los?
Ich plädiere für eigene Campingplätze mit Verbot von Gartenzwergen, Satellitenschüsseln und Lichterketten. Damit trennt sich die Spreu vom Weizen.
Sollen doch die einen auf ihrem Platz um 20 Uhr die Tagesschau anschalten, während die anderen auf ihrem Gelände gerade das Lagerfeuer entzünden, die Rotweinflasche kreisen lassen, zu Gitarrenklängen fröhliche Lieder singen und dazu tanzen.
Letztlich führt der Status Quo nur dazu, dass die Freiheitsliebenden so oft wie möglich wild campen, um sich so ihr Naturerlebnis und eine gelassenere Stimmung zu sichern. Dabei immer die quälende Frage im Gepäck: Darf ich hier stehen oder scheucht man mich fort? Ganz abgesehen vom Naturschutz. Was wäre denn, wenn alle, die sich auf den Old-School-Campingplätzen nicht wohlfühlen, nun plötzlich mit ihrem Gefährt frei stehen und in die Büsche machen?
Ich will ja gar nicht 15 Minuten lang nach einem versteckten Ort für meine Notdurft suchen müssen. Ich will auch nicht stinken, weil ich seit 7 Tagen keine Dusche mehr gesehen habe. Ich brauche auch keine überraschenden Begegnungen im Wald, weil früh um 5 Uhr direkt an meinem Bus kläffende Hunde zur Treibjagd losgelassen werden.
Ich will einfach nur einen Campingplatz, auf dem ich mir stimmungsmäßig nicht vorkomme wie in einer Mischung aus Finanzamt und Arbeitsagentur.
Falls niemand mein Flehen erhört und sich sofort an das Umsetzen dieser Marktlücke macht, steuere ich weiterhin die Plätze an, die meine Wünsche erfüllen. Ja, es gibt diese Perlen. Wo genau? Das bleibt mein Geheimnis. Nicht, dass dort in Kürze noch Gartenzwerge und Lichterketten auftauchen.
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