Größtes Korallenriff der Erde, Weltwunder und Sorgenkind zugleich: Das Great Barrier Reef vor der Küste Australiens ist ein Paradies für Meerestiere und Touristen gleichermaßen. Doch damit das so bleibt, muss sich einiges im Umgang mit dem Ökosystem ändern.
1981 wurde das Barriereriff als erstes Meeresgebiet auf die Liste der UNESCO gesetzt, das Prädikat „Weltnaturerbe“ ist jedoch in Gefahr.
Meeresschildkröte unbeeindruckt von Tauchern
Das Leben auf und am Great Barrier Reef sieht in der Regel so aus: Zwei kräftige Schläge, dann legt sie die Flossen auf den Rücken und lässt sich durch das Wasser treiben. Entspannung pur. Scheinbar schwerelos treibt sie an den Menschen vorbei, an deren seltsamen Anblick mit Taucherbrille, Flossen und Taucherflasche sie sich schon längst gewöhnt hat. Die Meeresschildkröte lässt sich nicht stören und kommentiert die Anwesenheit der Schnorchler durch ein unbeeindrucktes Blubbern.
Sie atmet aus und schwimmt dabei zur Wasseroberfläche, um erneut mit ihrem Schnabel eine Portion Luft einzuatmen. Die Menschen lässt sie hinter sich.
Für die Taucher gibt es ohnehin noch mehr zu entdecken. Korallenbeetem so weit das Auge reicht: lila, rot, leuchtend gelb. Die Farben der Korallen scheinen sich mit denen der Fische zu wetteifern. Blaue Doktorfische, pink schillernde Papageifische und natürlich die orange gestreiften Clownfische, die seit dem Filmerfolg vor einigen Jahren eher als Nemofische bekannt sind.
Fast scheint es, als wäre jemanden der Tuschkasten aus der Hand gefallen, so außergewöhnlich bunt mutet die Unterwasserlandschaft am Great Barrier Reef an.
Das Korallenriff ist nicht nur Lebensraum, es lebt selbst. Die Tauchgruppe hofft, noch ein paar große Fische vor die Taucherbrille zu bekommen: Sie wollen die „Great Eight“ sehen. So werden in Anlehnung an die „Big Five“ in Afrika, die wichtigsten Meerestiere Australiens bezeichnet. Dazu gehören die Schildkröte, der Clownfisch, der Napoleonfisch, der Mantarochen, die Riesenmuschel, der Zackenbarsch, der Wal und der Hai. Es gilt also noch einiges zu entdecken auf der Unterwasser-Safari.
Zwischen all der Farbenpracht, dem Schillern und Leuchten ist es immer wieder weiß. Ganzen Korallenfeldern ist irgendwie die Farbe abhanden bekommen. Im „größten Aquarium der Welt“ leben über 1.500 Fisch- und 400 Korallenarten.
Doch das könnte sich schneller ändern als gedacht. Das weiße Schreckgespenst namens Korallenbleiche, das aktuell stärker denn je das Riff bedroht, ist dabei nur ein Vorbote folgenreicher Veränderungen, die den einzigartigen Lebensraum auf den Kopf stellen werden.
Schuld daran? Die Klimaerwärmung, der industrielle Lebensstil und auch die Touristen. Ein Weltwunder auf dem Weg zum Eintrag in die „Rote Liste“?
Great Barrier Reef – wie ein Regenwald im Wasser
Wer bei Schnorchelgängen auf Elba, bei Pula oder an der Algarve schon hin und weg war, den erwartet auf der anderen Seite der Welt das Eldorado. Es ist das größte Korallenriff der Welt, das Great Barrier Reef. Es ist so groß, dass es selbst vom Weltraum aus zu sehen ist.
Richtigerweise handelt es sich nicht um ein zusammenhängendes Riff sondern um rund 3000 Einzelriffe, die zusammen eine Gesamtfläche von 350000 Quadratkilometern bilden, vergleichbar mit der Größe Deutschlands. Auf einer Länge von rund 2500 Kilometern erstreckt sich vom Nordosten Australiens bis nach Papua-Neuguinea eine Korallenlandschaft, einzigartig in ihrer Artenvielfalt.
Vergleichbar ist allein der Regenwald. Statt Affen und Aras gibt es Muscheln und Mantarochen.
Weit über 1500 Fischarten, über 130 Arten von Haien und Rochen und um die 5000 Arten an Weichtieren fühlen sich hier zu Hause. Ganz abgesehen von den rund 360 Steinkorallenarten, die in allen Farben um die Wette leuchten. Klar, dass die Touristen in Scharen kommen.
Der Zugang zur Korallenlandschaft erfolgt über einige wenige Inseln wie die „Lady Elliot“ Insel: Palmen, Sandstrand und davor die Weiten der Riffwelt.
Von hoch oben lässt sich das Ausmaß vielleicht am ehesten begreifen. Beim Flug mit einer Propellermaschine über die Korallenfelsen vermischt sich die Abenteuerlust mit dem Anmut der einzigartigen Natur. Lagunen, Felsen, Buchten und Strände, die strahlend Weiß zwischen all dem Blau und Grün hervorstechen.
Von hier aus lässt sich das Herz des Great Barrier Reefs erkennen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Eine 17 Meter breite Insel, geformt zu einem perfekten Herz liegt einem zu Füßen, fast schon kitschig in ihrer Schönheit, während das Dröhnen des Propellers in den Ohren klingt.
Weit mehr als zwei Millionen Unterwasserfans besuchen jährlich das Riff. Die Tourismusindustrie vor Ort ist auf die Besucher eingestellt. Unterkünfte, Infrastruktur, Ausflugsangebote en masse. Wer die Vielfalt dieses Biotops erleben will, der kann das auf ganz unterschiedliche Weise tun: Tauchen und Schnorcheln sind dabei nur die gängigsten Methoden. Glasbodenboote, Katamaran, Segelschiff? Wer die Wahl hat, hat die Qual.
Kohle statt Korallen am Great Barrier Reef?
Korallen sind fragil, Tiere scheu. Touristen, die aus Unachtsamkeit auf Korallen treten, Müll hinterlassen und mit ihrem Lärm die Tiere verscheuchen, sind ein Problem. Bis in die 1970er-Jahre hat unkontrollierter Tourismus große Schäden an den küstennahen Regionen des Riffs verursacht.
Viel mehr noch als Touristen vor Ort beeinflusst die Klimaerwärmung das Ökosystem. Langstreckenflüge sind dabei nur ein Faktor der Erderwärmung. Die große Korallenbleiche ist das wohl deutlichste Zeichen, ein Hilferuf aus dem Meer. Wenn die Wassertemperatur zunimmt, stoßen die Korallen algenähnliche Lebewesen ab, die die Koralle mit Energie und somit den leuchtenden Farben versorgen. Wird das Wasser zu warm, produzieren diese Giftstoffe und werden von der Koralle abgestoßen.
Die Folgen: Die Korallen verlieren ihre Farbe und sterben ab, wenn nicht zeitnah neue Algen an den Korallen ansetzten. Diese kommen allerdings nur zurück, wenn das Wasser wieder abkühlt. Seit Mitte der 1980er-Jahre ist gut die Hälfte der Korallen verschwunden.
Doch selbst die Schockmeldung des erneuten Korallensterbens ist nicht das einzige Problem mit dem das Great Barrier Reef kämpfen muss.
Für Australien ist das Riff mehr als ein Naturschauspiel, es ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, von dem zwischen 60.000 und 70.000 Arbeitsplätze abhängen und mit dem jährlich 5,8 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet werden.
Doch andere Industriezweige sind noch wichtiger: Australien ist der größte Kohleexporteur weltweit. Die Schifffahrt und der Ausbau der Häfen an der australischen Küste, die vor allem für den Kohleexport benötigt werden, bringen das Ökosystem zusätzlich in Gefahr.
UNESCO setzt Australien eine Frist für Schutzmaßnahmen
2015 entging das Great Barrier Reef knapp der sogenannten Roten Liste, auf der gefährdete Weltkultur- und Weltnaturerben aufgeführt werden. Die UNESCO setzte eine Frist: Bis zum Dezember 2016 hat Australien Zeit, um einen Bericht vorzulegen, der zeigt, wie und ob die geplanten Schutzmaßnahmen umgesetzt worden sind.
Doch aktuell scheint der Schutz weiter entfernt als je zuvor. Im April 2016 vergab die australische Regierung Abbaurechte für die bisher größte Kohlemine an eine indische Bergbaugruppe. Kohle statt Korallen lautet die Devise.
Doch damit nicht genug: Dünger aus der küstennahen Landwirtschaft belastet das Wasser zusätzlich und liefert ideale Lebensbedingungen für den korallenfressenden Seestern, der zusätzlich den Korallenbestand mindert.
Ein weiter Punkt sind Stürme. Demnach sind Zyklone die Ursache für rund 50 Prozent der Verluste. Die Prognosen für das Riff sind düster.
Das Verschwinden des Riff wäre ein Kollaps für Natur und Wirtschaft gleichermaßen. Artensterben, Verlust von Arbeitsplätzen und Rückgang des Tourismus. Ein Desaster für Umwelt und Wirtschaft.
Es ist als höchste Eisenbahn, um die düsteren Prognosen abzuwenden. Im Großen bedeutet das: Kohle- und Erdölgewinnung reduzieren und auf erneuerbare Energien umsatteln. Ob sich die australische Regierung darauf einlässt? Zweifelhaft.
Tourismusbranche beginnt zugunsten der Natur gegenzusteuern
Die Tourismusbranche immerhin versucht nun mit ersten Maßnahmen dem Kollaps entgegenzusteuern. Die für Luxusurlaub bekannte Insel Hayman berechnet pro Gast eine Klimagebühr, die Wissenschaftler bei der Suche nach Schutzmaßnahmen für die Korallen unterstützen soll. Ein Umweltschutzbüro hat sich den Schutz des Weltwunders auf die Fahnen geschrieben.
Aufklärung bei Touristen und Einheimischen aber auch Einschränkungen beim Besuch sind die Folge. Campen ist nur auf wenigen Inseln erlaubt und auch die Tauchmöglichkeiten wurden beschränkt. Doch um das fragile Gebilde schützen zu können, bedarf es mehr Maßnahmen.
Doch was kann der Tourist tun? Wegbleiben ist keine Lösung. Im Gegenteil: Der Tourismus könnte die Chance sein für das Riff. Einnahmen aus dem Tourismus liefern dringend benötigtes Geld für Schutzmaßnahmen des Ökosystems, die Arbeitsplätze stärken die regionale Wirtschaft.
Das Interesse der Touristen kann in der richtigen Art und Weise das Great Barrier Reef retten. Denn schließlich ist das Kapital der Branche. Ohne Riff keine Touristen.
Doch was bedeutet das im Kleinen? Für jeden einzelnen Touristen? Wie reist man richtig zu solch einer fragilen Sehenswürdigkeit? Die Antwort lautet: Grün.
Der ideale Tourist hält den ökologischen Fußabdruck klein
Es gilt den eigenen ökologischen Fußabdruck kleinzuhalten und nachhaltig unterwegs zu sein. Im Falle des Great Barrier Reefs heißt das: Flüge und Aufenthaltsdauer verantwortungsbewusst kombinieren, Hotels buchen, die Strom aus regenerierbaren Energien gewinnen.
Umweltverträgliche Fortbewegungsmittel wählen. Statt Speedboot lieber Segeln. Umweltfreundliche Reiseunternehmen wählen. Achtsamkeit in der Natur. Weniger Müll, weniger Strom, weniger Wasser verbrauchen. Es sind kleine Schritte, doch jeder ist einer in die richtige Richtung.
Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Wenn die Touristen an einem Strang ziehen und verantwortliches Reisen fordern, wird nachhaltiges Angebot zum Wettbewerbsvorteil.
Und es gibt bereits Lichtblicke: Riffschützer und Tourismusbranche arbeiten immer öfter zusammen, entwickeln gemeinsam Angebote, die sich dem Erhalt des Weltwunder verschrieben haben.
Und wer sagt, dass Umweltschutz keinen Spaß machen kann?
Als Taucher und Schnorchler kann man bei seinen Erkundungstouren selbst aktiv werden und Umfang sowie Zustand der Korallenriffe erfassen und den Forschern somit zur Hand gehen. Die Ergebnisse werden von zuständigen Wissenschaftler gesammelt.
Sanfter Tourismus in Kombination mit handfesten Maßnahmen seitens der australischen Regierung. Kann das das Great Barrier Reef retten?
Es wäre zu hoffen. Sonst wäre diese Generation die letzte, die die Riffe noch in voller Pracht bestaunen könnte.
Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphotos.com/Tanya Puntti
Clownfisch: © Depositphotos.com/Giovanni Gagliardi
Korallenriff vor Palmen: © Depositphotos.com/Filipe Frazao
Hafen: © Depositphotos.com/Filipe Frazao
Zebrafische: © Depositphotos.com/Tanya Puntti
Palmen/Sandstrand: © Depositphotos.com/Tanya Puntti
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