Die letzten Monate und Jahre haben es gezeigt – man kann plötzlich viel mehr Zeit als erwartet zuhause verbringen. Oft war es wegen behördlich angeordneter Isolation oder Quarantäne, und zumindest zu Beginn der Pandemie blieben auch viele „solidarisch“ daheim.
Währenddessen standen andere Menschen an vorderster Front und hielten den Laden – sei es den Supermarkt – oder das Land am samt medizinischer Versorgung am Laufen. Wer zu den Zuhausebleibern gehören musste oder durfte – was eine Frage der Betrachtungsweise ist – hatte plötzlich nun Zeit totzuschlagen. Zeit, um den Haushalt in Ordnung zu bringen. Ein Zimmer zu renovieren, Dinge zu sortieren und seinen Gedanken etwas Ruhe vor dem überflutenden Newsstrom zu gönnen. Mentale Hygiene ist wichtig.
Um auch zukünftig dafür gewappnet zu sein, nicht Hause die Wände hochzugehen, lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken, welche fotografischen Projekte uns helfen könnten, die Zeit sinnvoll und kreativ zu verbringen. Im Folgenden betrachte ich ein paar Beispiele. Etwaige Überschneidungen zu früheren Artikeln (wie z.B. 24 Tipps für bessere Smartphone-Fotos – Teil 3) sind durchaus gewollt.
Interessante Dinge im Haushalt
Analog zu dem Tipp Nr. 19 in dem Artikel 24 Tipps für bessere Smartphone-Fotos – Teil 3 („Sich eine Viertelstunde im Bad einschließen“) findet man bestimmt auch in der eigenen Wohnung, dem Balkon oder Garten interessante Gegenstände, die man fotografisch neu umsetzen kann.
Mehr verbrachte Zeit zuhause bedeutet auch: Andere Uhrzeiten, an denen man zuhause ist, und zu denen das Sonnenlicht anders als sonst gewohnt in die Wohnung fällt und Dinge erleuchtet, die einem vorher noch nie aufgefallen sind. Dieser Umstand lässt sich bestimmt kreativ nutzen!
Haustiere
Tierische Freunde im eigenen Haushalt helfen vielen Menschen, die aufkommende Einsamkeit etwas abzumildern. Auch bietet sich die Gelegenheit, sich auf Tierportraits zu konzentrieren. Da diese nicht immer so wollen wie der Mensch, kann es etwas herausfordernd sein, bietet dadurch aber einen guten Lerneffekt. Außerdem ist das eine gute Gelegenheit, die Portraitfunktion des eigenen Smartphones mal nicht nur an Menschen auszuprobieren. Und die „richtige“ Kamera mit einer Normalbrennweite ist geradezu prädestiniert für Portraits.
Wenn der Hund mal raus muss (ich habe gerade eine Szene aus Loriots Film „Pappa ante Portas“ im Sinn), dann kann man ihn oder sie beim ausgelassenen Austoben ablichten und gleichzeitig selber etwas frische Luft ins Hirn bekommen.
Kinder zuhause
Wenn wie in der Pandemie viele Kinder – und deren Eltern – teilweise öfter in Quarantäne, aber nicht krank waren, war das durchaus eine Herausforderung, die Langeweile zu vertreiben. Oder als im Frühjahr 2020 die Spielplätze geschlossen waren, mussten viele Kinder nunmal zuhause irgendwie beschäftigt werden. Entweder mit neuen oder alten Spielen, Aktivitäten im Haushalt oder Medien. Die Stimmungen, die in einer solchen eingeschränkten Situation auftreten können, wären ein Thema für ein dokumentarisches Fotoprojekt. Und wenn’s mal hoch her geht – tobende Kinder in den Fluren, mit etwas längerer Belichtungszeit eingefangen (möglichst mit Stativ) können auch sehr dynamisch wirken.
Und solange man nicht tatsächlich die ganze Zeit zuhause bleiben muss, bleiben einem immer noch Parks, Strände, die Stadt, der Wald und was sonst noch so drumherum ist – ob zu Fuß, per Fahrrad, Laufrad oder Skates.
Portraitfotos zuhause
Der eigene Partner oder die Partnerin ist hoffentlich sowieso ein Lieblingsmotiv für uns, und nun kann man versuchen, die eigenen Fähigkeiten in der Portraitfotografie zu verbessern. Auf dem Balkon, beim Blick aus dem Fenster, im Badezimmerspiegel…
Manche haben in der Pandemiezeit auch in Selbstportraits vor dem Spiegel den Verfall der eigenen Frisur oder die Stimmungen versucht einzufangen.
Licht- und Beleuchtungseffekte
Weiter oben habe ich ja schon besondere Lichtsituationen zu verschiedenen Tageszeiten erwähnt. Das dadurch hereinkommende Licht kann man noch weiter „ausbauen“, indem man es mit Reflektoren formt und an verschiedene Stellen des Motivs leuchten lässt, z.B. bei Portraitfotos oder Stilleben von alltäglichen Gegenständen. (Siehe https://www.youtube.com/watch?v=tpCIy7GRB9k oder https://www.fotomagazin.de/praxis/tipps-tricks/serie-foto-hacks-do-it-yourself)
Eine weitere Idee, die mit Do-it-yourself-(DIY)-Bastelprojekten zu tun hat, ist ein Lichtzelt, auch Lightbox genannt zu bauen (siehe https://www.youtube.com/watch?v=qfz02BfzoSk). Damit kann man Produktfotos gut ausgeleuchtet und mit einem weichen Hintergrund in Szene setzen. Vielleicht hilft es dabei, die Schätze aus dem Keller oder dem Dachboden bei eBay zu verkaufen?
Video
Für fast alle der oben genannten Fotobereiche kann man auch Video einsetzen, und auch darüber hinaus. Mit einer kleinen Actionkamera oder einem Smartphone, befestigt an einem ferngesteuerten Auto, kann man vielleicht das Kind oder Haustier durch die Wohnung oder den Garten „jagen“ und anschließend mit dramatischer Musik unterlegen.
Die wie irre durch die Wohnung rennenden und kreischenden Kinder sollte man auch mal festhalten, auch wenn´s in der aktuellen Situation etwas nerven kann – später lachen wir zumindest über diese Teilaspekte.
Analoge Filmentwicklung zuhause
Aufwändiger, aber durchaus lohnend ist die analoge Filmentwicklung. Ich habe zum Beispiel in der Schublade noch viele belichtete schwarzweiss-Filme liegen, die ich immer wieder vergesse und die wie eine Zeitkapsel ungeahnte Schätze aus der Vergangenheit enthalten könnten. Mit etwas Zubehör kann man zumindest die eigentliche Entwicklung des Filmes bewerkstelligen – es gibt Versandhändler, die das passende Equipment anbieten. (Foto Impex beispielsweise bietet ein analoges „Starter Set Film“ für ca. 45,- € an: https://www.fotoimpex.de/shop/analog-startsets/fotoimpex-starter-set-film.html)
Abzüge der Fotos sind noch mal eine Stufe aufwändiger, da man ein Vergrößerungsgerät, Fotopapier, Entwicklungsschalen usw. besitzen muss. Eine Alternativ dazu wäre der sogenannte hybride Prozess. Dabei wird der Film normal in Fotochemie entwickelt, nach dem Trocknen aber gleich gescannt oder abfotografiert. Danach kann man die Fotos digital weiterbearbeiten, archivieren und drucken.
Auch hierzu sind interessante Bastelprojekte entstanden. Wenn man keinen Scanner mit Durchlichteinheit hat: Mit relativ wenig Zubehör (sofern man eine halbwegs aktuelle Digitalkamera hat) kann man sich ein Reprostativ bauen, und eine LED-Leuchtplatte bietet die Lichtquelle. Schablonen, die man entweder bestellen oder basteln kann, sorgen für eine gerade Lage des Films. Das Reprostativ selber kann man hier bekommen: https://www.dold-mechatronik.de/Reprostativ-V5-Bausatz
Bilder sortieren und verwalten
Was mit dem Keller und den Schränken schon passiert ist – aufgeräumt, aussortiert, geputzt – kann man auch mit seinen digitalen Fotoschätzen im Computer tun. Jetzt wäre eine gute Zeit dafür, sich an das (Aus-)sortieren und Verwalten zu machen, denn wir alle haben gefühlt Tonnen von Bildern digital rumliegen. Unter dieser Menge findet man die besten oft nur schwer wieder, wenn es darauf ankommt. Und müssen wir wirklich jedes Foto der 20 Bilder umfassenden Serienaufnahme des Hundes behalten, oder reicht eines davon?
Für Lightroom beispielsweise gibt es eine kostenlos erhältliche (englischsprachige) Anleitung mit Namen „1 hour 1000 Pics“ von Chris Marquardt, einem bekannten Fotografen und Podcaster.
Für die MacOS-App „Fotos“ sind hier ein paar nützliche Tipps zum Aufräumen der Mediathek zu finden: https://www.macwelt.de/ratgeber/Fotos-fuer-macOS-aufraeumen-7808204.html.
Zuhause Bilder drucken
Nach dem Aufräumen ist vor dem Drucken! Denn schließlich sind ja nun unsere besten Werke zutage getreten, verschlagwortet oder bewertet worden und bereit, auf Papier gebracht zu werden. Mit einem halbwegs aktuellen Tintenstrahldrucker und gutem Fotopapier kann man schon recht ansehnliche Ausdrucke hinbekommen. Richtige Fotodrucker mit mehreren Tinten als den üblichen 4 Verdächtigen Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz sind natürlich im Vorteil, aber auch mit einem Multifunktionsdrucker (MuFuDru?) geht schon einiges.
Größere Formate ab DIN A3 aufwärts lässt man lieber von Fachleuten drucken. Dazu gibt es online-Dienstleister, die die gedruckten Schätze ganz bequem nach Hause liefern. Viele dieser Anbieter haben sich auch auf selbstklebende Bilder spezialisiert. Sie bieten auch Drucke auf Glas, Alu-Dibond oder Leinwand an. Endlich bekommen die Fotoschätze damit zuhause den Platz, der ihnen gebührt!
Schnappschüsse im 10×15-Format für die Wand liefert der Drucker aus der Drogerie schnell und in guter Qualität.
Tutorials und Online-Kurse
In den vorherigen Tipps sind schon einige Tutorials genannt worden, die sich oft auf DIY-Projekte beziehen. Aber auch für die Fotografie an sich kann man sich zuhasue neues Wissen und Fertigkeiten beibringen lassen. Danach hat man umso mehr Gelegenheit, all das Gelernte umzusetzen und fotografisch zu wachsen. Ob es Weitwinkel-Fotografie, Analogfotografie oder ein Smartphone-Fotoseminar ist, man profitiert sehr davon, Erfahrungen anderer als Inspiration zu nehmen.
Viele Anbieter von Online-Kursen offerieren immer mal wieder Rabatte, um neue Kundschaft zu erschließen. Bei LinkedIn Learning beispielsweise kann man einen kostenlosen Testmonat starten und aus über 800 Kursen wählen.
Fotografie-Podcasts kann man auch neben dem Aufräumen, Wäscheaufhängen, Gassigehen oder anderen Tätigkeiten konsumieren und sie haben mir immer wieder neue Ideen mitgegeben und Fragen beantwortet.
Fotopotch
Hier mache ich es mir mal ganz einfach und verweise direkt auf unseren früheren Beitrag! https://reisezutaten.de/12-tipps-fuer-bessere-smartphone-fotos-teil-3-kreativitaet-foerdern/#23
Die Welt da draußen
In der ersten Corona-Welle bot der Blick aus dem Fenster oft leere Straßen und Menschen, die in kleinsten Gruppen weit voneinander entfernt spazieren gingen. Einige FotografInnen haben in dieser Zeit und auch während der ersten Lockerungen einmalige fotografische Erinnerungen festgehalten. Solche Erlebnisse der Zeitgeschichte sollten festgehalten werden, und sie bieten unwiederbringliche Fotodokumente. Läuft das Leben wieder „normaler“, findet unser Leben mehr in der Welt da draußen statt, aber die in diesem Artikel genannten Anregungen kann man auch in anderen Zuhause-Phasen gut nutzen, und sei es nur, wenn es mal tagelang so regnet, dass man eigentlich nicht mal mehr mit dem Hund vor die Tür gehen möchte.
Titelbild: Photo by Per Lööv on Unsplash