Kulinarische Reise ins Baskenland, Tapas, Pintxos

Eine kulinarische Reise ins Baskenland

Was wäre eine Reise ohne neue Sinneseindrücke – vor allem im kulinarischen Bereich? Es gibt keine bessere Möglichkeit, andere Länder, Menschen und ihre Vorlieben kennenzulernen als über den Kochtopf. Deshalb erzählt ReiseZutaten in der Serie „Genussreise“ von all den Köstlichkeiten und Besonderheiten, die uns auf unseren Touren bisher begegnet sind. Zudem berichten wir von bemerkenswerten Menschen, Trends und Ideen rund um das Thema Essen auf Reisen. Das kann in Timbuktu genauso wie im Schwarzwald sein. Hier kommt die Genussreise 2 ins Baskenland. Möge sie schmecken!

San Sebastián: Gaumenfreuden in der Kulturhauptstadt

So stellt man sich das Schlaraffenland vor: Auf der gesamten Länge der Bar reihen sich Brotscheiben mit Schinken, Spießchen mit Anchovis, gegrilltes Iberico-Schwein und Käsevariationen mit dunkelroten Marmeladen. Es sind dutzende verschiedene Köstlichkeiten, gestapelt auf Platten, in Gläschen und auf Löffeln, eine hübscher als die andere.

Die Wahl fällt schwer, doch viel falsch machen kann man sowieso nicht. Wer sein Wahl getroffen hat, nimmt das Objekt der kulinarischen Begierde in die Hand. Zwei Bissen, ein wenig Gekrümel und schon ist das baskische Kulturgut im Mund verschwunden.

Die baskischen Pintxos, im Spanischen Pinchos genannt, verblüffen: dass etwas so Kleines so köstlich sein kann!

Detailaufnahme Pintxos
Ja, so etwas Kleines kann so köstlich sein!

Es ist eine fruchtbare Mischung, die die baskische Küche zu einer der besten in Spanien oder gar Europa macht: Erstklassige regionale Zutaten, kreative Köche und die in der Kultur der Basken verankerte Liebe zum Essen.

Essen: Kulturgut und Lieblingsbeschäftigung der Basken

Oliven, Peperoni und Anchovis aufgereiht auf einem Spießchen: Der Pintxo Gilda ist wohl das bekannteste Apettithäppchen der Basken. Die Grundzutaten sind simpel, die Raffinesse und Interpretationen lassen Spielraum.

Der Name spielt auf einen Film der 1940er Jahre an, in dem Rita Hayworth die Titelrolle spielte. Süß, salzig und pikant: Beim Essen der Pintxos assoziierte ein Fan die Eigenschaften der Leckerei mit denen der Schauspielerin. Der Pintxo hatte seinen Namen.

In San Sebastián locken unzählige kleinen Pintxobars, die sich in der Stadt verteilen, die Massen an. In der Altstadt am Fuße des Berges Urgull reiht sich eine Bar neben die andere. Wie viele es tatsächlich sind, lässt sich kaum noch zählen.

Doch gibt es hier nicht nur Gaumenfreuden für den kleinen Geldbeutel. San Sebastián ist auch eine Stadt der Sterneküche.  Gourmets pilgern schon seit Jahren in das Feinschmeckerparadies. Nur in Tokio gibt es auf die Einwohnerzahl gerechnet mehr Michelin-Sterne als hier.

In San Sebastián funkeln ganze 16 Sterne und das bei nicht einmal 200.000 Einwohnern.

Der berühmteste baskische Koch, Juan Mari Arzak, war der Wegbereiter in den Gourmethimmel. Er war der Erste, der 1989 drei Michelin-Sterne erkochte.

Glanz und Gloria im Herzen des Baskenlandes

San Sebastián oder auch Donostia, wie die Basken die Stadt in ihrer Sprache Euskara nennen, ist die Hauptstadt der Provinz Gipuzkoa und liegt an der französischen Grenze. Von der Stadt scheint ein besonderer Zauber auszugehen.

Einst verbrachte Königin Isabella II. ihre Tage hier, um ihr Hautleiden im salzhaltigen Meerwasser zu kurieren. Neben ihrem Hofstaat folgten die Schönen und Reichen aus ganz Europa dem Ruf der Baskenstadt. Casino, Belle Epoque, schöne Stadtstrände sorgten für Glanz und Gloria im Herzen des Baskenlandes.

Stadtstrand La Concha - die Muschel
Charmanter Stadtstrand: La Concha – die Muschel.

Heute sind Touristen und Einheimische gleichermaßen eingelullt vom königlichen Charme der nordspanischen Stadt. „La concha“, die Muschel, so heißt nicht nur einer der Stadtstrände, auch die Stadt selbst gleicht einer formvollendeten Strandschönheit: Anmut, Prestige und Eleganz stehen im Kontrast zum rauen Atlantik.

Als Kulturhauptstadt 2016 steht San Sebastián im kulturellen Mittelpunkt Europas. Ausstellungen, Konzerte und Events locken in diesem Jahr besonders viele Gäste nach Nordspanien.

Neben all der Schönheit, den Wandermöglichkeiten und kulturellen Veranstaltungen sind es vor allem die Gaumenfreuden, die für einen beständigen Strom an Besuchern sorgen. Und das passt zusammen, denn Essen ist ein gewichtiger Teil der baskischen Kultur.

Für Laien ähnlich, für Basken liegen Welten dazwischen: Tapas und Pintxos

Egal, ob mittags oder abends: Wer durch die Gassen der Altstadt schlendert, der sieht gut gefüllte Bars. Dutzende Menschen drängen sich rund um die Theke und vor den Türen der Bars.

Mit einem Txakoli in der Hand, dem spritzigen baskischen Weißwein, der mit einem kräftigen Schwung und ausreichend Abstand zum Glas eingefüllt wird, schlemmen sich die genussfreudigen Donostiarrak (Einwohner  San Sebastiáns) und Touristen gleichermaßen durch das Pintxos-Angebot.

Der Name „Pintxos“ bedeutet im Baskischen so viel wie „Spießchen“. Traditionell werden wie beim Pintxos Gilda die Zutaten auf einen Spieß gesteckt. Als Unterlage dienen Brotscheiben, die mit Fisch, Wurst oder Gemüse gekrönt werden.

Modern oder traditionell?

Mittlerweile wird das mit dem Spieß nicht mehr so eng gesehen. Moderne Interpretationen und ungewöhnliche Formen sind genauso beliebt wie die traditionellen Varianten.

Die baskischen Pintxos sind eng verwandt mit den spanischen Tapas. Als kleine Appetitmacher und Basis für den Alkoholgenuss erfüllten diese noch einen weiteren pragmatistischen Zweck: Als Deckel, im Spanischen „tapa“, hielten sie lästige Insekten vom Getränk fern. Urvater soll angeblich Alfonso der Weise sein, der sein Getränk gerne mit einen Häppchen zu sich nahm und diese einfach auf seinem Glas ablegte.

Ähnlich wie die spanisch-andalusischen Tapas werden die kleinen Köstlichkeiten als Happen für zwischendurch oder Vorspeise angeboten.

Als Regel gilt: Nicht mehr als drei Pintxos pro Bar, dann geht es weiter in die nächste. Alles andere wäre Verschwendung, denn das Angebot ist zu groß und zu lecker, um in nur einer Bar zu bleiben.

Wo Tapas meist recht einfach gehalten sind, steigern die Pintxoköche die Zubereitung ihrer Kreationen zu Kunstwerken.

Raffinierte Garmethoden, außergewöhnliche Gewürze und erlesene Zutaten sind bei Pintxos der Standard. Die Kunst der Pintxos findet in San Sebastián ihren Höhepunkt und hat mit den simplen Tapas nicht mehr viel gemein. Sie sind baskische Kultur in Reinform. Stolz, unangepasst und temperamentvoll: All das trifft gleichwohl auf die Basken und ihr Lieblingsessen zu.

Pintxos auf Teller
Pintxos können gerne auch mal kleine Kunstwerke sein.

Als Hauptstadt der baskischen Miniaturküche lockt Donostia Gourmets in die engen Straßen der Altstadt und nach Gros, wo ausgezeichnete Köche ihre Gäste verwöhnen. Jede Bar hat ihre Spezialität.

Die beliebtesten Anlaufstellen in San Sebastián

Wo es in der einen Pintxobar vor allem um Fisch geht, sind andere für ihren lackierten Schweinebauch, ihre kräftigen Käsesorten oder raffinierten Süppchen, Meeresfrüchte oder kräftigen Wurstspezialitäten bekannt.

In der Bar Txepetxa in der Altstadt dreht sich alles um Anchovis. 14 Varianten der Sardelle gibt es hier zu probieren. Mit Salsa aus grüner und roter Paprika oder etwa mit Roggen vom Seeigel. Natürlich steht hier auch der Klassiker Pintxo Gilda auf dem Tresen. Frisch, aromatisch und mit der besonderen Raffinesse weiß der Besitzer des Txepetxa wie er seine Gäste immer wieder in die holzverkleidete Bar unweit des Plaza Constitución lockt.

Neben der Altstadt gilt der Stadtteil Gros am Zurriola-Strand als Geheimtipp für besonders hervorragende Pintxos. Wo sich in der Altstadt viele Touristen um die Tresen tummeln, sind in Gros Einheimische und junge Leute anzutreffen.

Käse-Pintxos: Rettung für Vegetarier

Als eine der besten Anlaufstellen gilt das Bergara, das schon einige Auszeichnungen für seine Eigenkreationen und Neuauflagen der Klassiker gewinnen konnte. Besonders beliebt ist hier das „Txalupa gratinado de setas con langostinos“, ein kleines „Teigboot“ mit Pilzen und Garnelen. Auch der Seeteufel mit einer Sauce aus Meeresfrüchten gehört zu den Dauerbrennern.

Wie in allen anderen kosten auch in den hochrangigen Bars die mundgerechten Naschereien nur zwischen 2 und 4 Euro. Viel Geschmack für einen kleinen Preis!

Vegetarier müssen schon etwas suchen, um fleisch- und fischfreie Häppchen zu bekommen. Käse ist da oft die Rettung. In der Bar Zeruko in der Altstadt gibt es glücklicherweise eine große Auswahl an Käse-Pintxos wie Ziegenkäse mit Apfelscheiben und fruchtigem Gelee, frittierten Käsebällchen oder Varianten mit Ei. Für Veganer gibt es gebratenes Gemüse oder eingelegte und fein gewürzte Gurken.

Pintxos in einer Bar
Pintxos sind nicht nur eine Vorspeise, Pintxos sind Kulturgut.

Neben den vielen traditionellen Pintxobars haben sich einige etabliert, die sich gänzlich der modernen Interpretation der Häppchen verschrieben haben.

Das  A Fuego Negro in der Altstadt hat mehr mit einem modernen Kunsttempel als mit einer urigen Kneipe gemein. Hier geht es kreativ zu und so kommen blubbernde Schaumkreationen mit Rauchgeschmack als Shot im Gläschen, umgefallene Eiswaffeln oder Miniaturburger vom Cobe-Rind mit Bananenchips im Holzschächtelchen auf den Tresen. Das dunkle Ambiente mit roten Akzenten setzt optische Highlights und passt zu den aufregend hippen Geschmackskreationen.

Wo Kochen noch Männersache ist

Wie lange darf der Fisch angebraten werden, wie roh muss das Filet sein, welche Gewürze passen in die Suppe? Die Basken reden gerne und ausführlich über Rezepte, kulinarische Neuentdeckungen und Auszeichnungen.

Es wird leidenschaftlich geschwärmt, diskutiert und probiert. Genuss und Gastronomie sind ein wesentlicher Teil der baskischen Kultur und das seit jeher. Im Baskenland gibt es jeden Tag fangfrischen Fisch und Meeresfrüchte aus dem Atlantik, Käse und Fleisch aus den Bergen. Wer so viel Zugang zu guten Lebensmitteln hat, der kocht gerne und wird wohl zwangsläufig zum Genießer.

Für Ethnologen sind die Basken ein Rätsel. Woher die Ursprünge der Kultur kommen, weiß keiner so genau.

Die Grundzüge sind matriarchalisch geprägt, das heißt die Frauen hatten das Sagen. Damit die Männer ganz in Ruhe ihrer Kochleidenschaft nachgehen konnten – ohne, dass die Frauen streng über ihre Schultern blicken –, gründeten sie ihre eigenen Kochclubs, heißt es.

Frauen in Kochclubs? Fehlanzeige!

Seit über 150 Jahren gibt es die sogenannten Toxos, rund 200 davon in San Sebastián. Hier treffen sich die Männer, kochen traditionelle Gerichte, trinken und singen. Frauen? Fehlanzeige!

Zumindest bis vor kurzem. Langsam öffnen sich die Türen an besonderen Tagen auch für Gäste und Frauen, aber nur mit Einladung. Ansonsten haben hier nur die Mitglieder der jeweiligen Sociedades Gastronómicas Zutritt.

Blick vom Monte Urgull
Wer vom Essen mal eine Pause braucht, kann vom Monte Urgull aus die Stadt bewundern.

Neben den geselligen Männerabenden sind Wettbewerbe eine gerne gesehene Abwechslung in den Kochgesellschaften, aber auch den Tapas-Bars. Jährlich wird um die Wette gekocht und entschieden, wer der Spitzenreiter ist.

Die Donostiarrak lieben es, sich mit anderen zu messen. Das sieht man beim Spaziergang am Strand, wenn Gruppen von Läufern mit gleichen Trikots vorbeihuschen oder Rudermannschaften lautstark ihre Bahnen ziehen.

Die Kochmeisterschaften für die besten Pintxos finden besonders großen Anklang, denn sie verbinden die beiden Leidenschaften der Einheimischen: Essen und Wettbewerbe. Für Touristen ist es dann besonders lukrativ, sich einmal quer durch die Stadt und durch die besten Pintxos der Welt zu probieren.

Kleiner Tipp am Rande: Wer an einem Donnerstagabend in der Stadt ist, sollte sich auf keinen Fall den sogenannten Pintxopote verpassen. In der Altstadt und Gros bieten die meisten Bars am Abend ein Getränk, entweder Txakoli oder ein Zurito, ein kleines Bier, mit einem Pintxo für zwei Euro an. Günstiger kann man sich nicht durch die Stadt schlemmen.

Vor allem im Sommer artet die Pintxo-Madness, wie es die Touristen nennen, zu einer großen Freiluftparty aus. Denn beim Feiern lässt es sich besonders gut essen, trinken und diskutieren.

Pintxos essen: So fällt man nicht gleich als Tourist auf

Wer nicht gleich zu Beginn als ahnungsloser Tourist im Baskenland enttarnt werden will, sollt einige Regeln beachten:

  • Man nimmt sich nicht einfach ein Pintxos mit der Hand vom Tresen, sondern bestellt beim Kellner einen Teller.
  • Statt gleich zu bezahlen, sammelt man seine Teller, in manchen Bars reichen auch die Holzspießchen, und begleicht die Rechnung am Ende anhand der Anzahl der Teller.
  • Mehr als drei Pintxos in einer Bar gelten als unschick.
  • Und das Wichtigste: Die Servietten legt man auf keinen Fall auf den Tresen, sie werden einfach auf den Boden geworfen. Dieser etwas ungewohnte Anblick dient gleichzeitig als ideale Entscheidungshilfe: Je mehr Servietten auf dem Boden liegen, umso besser scheinen die Pintxos zu sein.

3 Pintxos-Bars für den guten Geschmack

  • Bergara, Calle del General Artetxe 8, Gros
  • A Fuego Negro, Agosto Kalea 31, Altstadt
  • Bar Zeruko Calle, Pescaderia 10, Altstadt

Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphotos.com/Moreno Novello
2 einzelne Pintxos: © Depositphotos.com/Peter Irman
Pintxos als Kunstwerk: © Depositphotos.com/Eduardo Huelin
Pintxos-Bar: © Depositphotos.com/Matias Rehaa
Restliche Fotos: Julia Schattauer