Das Tuk-Tuk bahnt sich seinen Weg über die rote Sandpiste im Hinterland von Kampot an der kambodschanischen Küste. Der Fahrer muss wendige Manöver durchführen, denn in der Regenzeit ist die Straße von tiefen Schlaglöchern überseht. Ob man sich auf der richtigen Straßenseite bewegt, ist zweitrangig. An einem großen Eisentor winkt ein Mann in Uniform das Gefährt, das aus Moped und Anhänger besteht, vorbei und somit direkt auf das Gelände der Starling Farm. Der Weg führt weiter durch eine Allee aus Mangobäumen bis zu den Pfefferpflanzen. Die Pfefferplantagen sind zu dieser Zeit prall gefüllt mit saftig grünen Körnern. Was hier wächst, ist nicht irgendein Pfeffer, es ist der berühmte Kampot-Pfeffer, eine der teuersten und hochwertigsten Pfeffersorten der Welt.
Zwischen Kambodschas Bergen und Küste: Perfekte Voraussetzungen für aromatischen Geschmack
Beim Durchwandern der Plantage kann man erkennen, was den Kampot-Pfeffer ausmacht. Es ist der mineralreiche und schwere Lehmboden, der in der Regenzeit saftig rot glänzt und die Grundlage für einen aromatischen und intensiven Geschmack liefert. Reine Bioqualität, die Mischung aus erlesener Handarbeit, sanfte Produktionsmethoden und einige Neuerungen: Das sind die Pfeiler der Kampot-Qualität.
Eingebettet zwischen Bergen und der Küste am Golf von Thailand sind in der Phnom-Kon-Sat-Region die Bedingungen für den Pfefferanbau ideal. Zwischen Reisfeldern und Kalkstein unweit der vietnamesischen Grenzen und dem Mekongdelta herrscht ein einzigartiges Mikroklima, das den Pfeffer besonders aromatisch macht. Nur hier kann der berühmte Kampot-Pfeffer gedeihen.
Ähnlich wie bei Champagner wurde der Kampot-Pfeffer von der World Trade Organisation mit dem Gütesiegel „Geographical Indications (GI)“ versehen. So darf sich nur der Pfeffer Kampot nennen, der hier in der Region gewachsen ist und bestimmten Kriterien unterliegt. Dazu gehören biologisch angebaute Pflanzen, keine Verwendung von chemischen Düngern und die Beschränkung auf die besten Beeren, was Größe, Form und Farbe betrifft. Als Dünger kommt eine natürliche Mischung aus Kuh-Dung, Fledermaus-Guana, Fischmehl und Mulch zum Einsatz. Die Beeren werden tageweise in der Sonne natürlich getrocknet, statt künstlich bestrahlt.
Starling-Farm, der Vorzeigebetrieb beim Kampot-Pfeffer
Als die Starling-Farm vor rund 15 Jahren ihre Pforten hier eröffnete, war sie weit und breit die einzige und größte internationale Plantage. Die Pflanzen werden frei von chemischen Substanzen angebaut und liebevoll mit dem Wissen von lokalen Bauern gepflegt. Die Plantage entstand in kleinen Schritten, heute ist sie rund 40 Hektar groß und ein Resort bietet Platz für Gäste.
Das Wissen musste erprobt, Pflanzen über Jahre hinweg aufgepäppelt werden, bis erste Erfolge zu verzeichnen waren, erklärt Anna Him, die seit 2010 Besitzerin der Plantage ist und sich seit 2005 mit dem Pfefferanbau beschäftigt.
Heute gibt es unzählige Plantagen. Allen voran die erst seit wenigen Jahren ansässige „La Plantation“, die im großen Stil den Kampot-Pfeffer ins Ausland vertreibt und Touristen auf die Farm lockt. Traditionelle Methoden stehen weniger im Mittelpunkt als die Quantität des Ertrags. Die Tuk-Tuk-Fahrer bekommen für jeden Touristen Provision. So bleibt vielen Kampotbesuchern mit Interesse am Pfefferanbau keine große Wahl.
Doch es lohnt sich, hartnäckig zu sein und die Starling Farm oder einen der vielen Familienbetriebe der großen Plantage vorzuziehen. Hier gibt es statt Guides mit Headset noch die Möglichkeit, frei zwischen den Pflanzen umherzuwandern und die Beeren direkt von der Pflanzen zu probieren.
Von mild bis fruchtig-scharf – Pfeffer-Tasting durch Kampot
Wer in Kampot durch die von alten Kolonialbauten gesäumten Straßen flaniert, kann sich quer durch die verschiedenen Pfeffersorten probieren. Was für eine Geschmacksintensität! Kein Vergleich zur bunten Pfeffermischung oder dem gemahlenem Pfeffer aus dem Supermarkt.
Angefangen beim weißen Pfeffer, der mild und fein im Geschmack ist und vor allem zu Fisch passt, kommt der rote Pfeffer mit einer fruchtig-scharfen Note daher. Im Gegensatz zu den rosa Pfefferbeeren, die nicht zur Familie der Pfefferpflanzen gehören, sind die roten Beeren hier die gleichen, die auch für den weißen und schwarzen Pfeffer verwendet werden.
Der Unterschied liegt in der Verarbeitung. Der schwarze Pfeffer ist aromatisch scharf und wird vor allem da eingesetzt, wo eine starke Pfeffferwürze gewünscht ist. In Kambodscha reicht man zum Nationalgericht Lok Lak, Fisch in einer würzigen Marinade, eine scharf-saure Pfeffersauce. Auch beim eher milden Khmer-Curry darf die Pfeffernote nicht fehlen.
Pfeffer auf dem Eis oder im Cocktail?
Eine Besonderheit ist der Langpfeffer. Wer ein kleines Stückchen vorsichtig von der Frucht abbeißt, der spürt sofort das für die Schärfe zuständige Piperin, nichts für zarte Zungen. Es brennt im ersten Moment, doch zur Schärfe kommt eine fruchtiger und süßliche Note, die den Geschmack abrundet.
Auch zu süßen Speisen lässt sich Pfeffer kombinieren. Wo vor einigen Jahren Erdbeeren mit schwarzem Pfeffer und Balsamico der letzte Schrei waren, wird der Pfeffer heute gerne als kleines I-Tüpfelchen auf Eis gestreut.
Nicht nur im Essen, auch bei Getränken kommt der Pfeffer zum Einsatz. Zum Beispiel in einem Daiquiri sorgt er für die scharfe Note im Cocktail.
Rund 20 Kilometer von Kampot entfernt befindet sich das Küstenstädtchen Kep, das vor allem für seinen Krabbenmarkt berühmt ist und schon so manche Gourmets und Prominente anlockte. Hier bekommt man den Pfeffer in der Königsdisziplin: Zusammen mit Krabben, Hummer oder Garnelen werden frische grüne Pfefferrispen angerichtet. Der zitronige Geschmack des Pfeffers kommt bei den frischen Meerestieren am besten zur Geltung. Dazu der Blick auf die Brandung, mehr braucht man nicht.
Der Unterschied zwischen den einzelnen Pfeffersorten liegt in der Verarbeitung. Der rohe grüne Pfeffer wird vor allem als ganze Beere in Saucen verwendet. Für den schwarzen Pfeffer werden unreife grüne Beeren geerntet, die erst gekocht und dann getrocknet werden. Die roten Pfefferkörner werden reif geerntet, gewässert und dann getrocknet. Für den weißen Pfeffer werden reife rote Beeren geerntet, gewässert und vor dem Trockenen von der Schale befreit.
Zwischen Luxusgut und Billigprodukt: Die Geschichte des Pfefferhandels
Pfeffer ist heute ein Allerweltsgewürz. Es ist das Standardprodukt neben Salz und in jedem Supermarkt günstig zu erwerben. Als Schärfegeber greifen die meisten lieber zu Chili, dem Trendgewürz, das sich seit einigen Jahren auf der Beliebtheitsskala der Hobbyköche ganz oben hält. Pfeffer ist eben Pfeffer. Kampot-Pfeffer kostet in Europa zwischen 300 und 600 Dollar pro Kilo. Klar, dass ein Pfeffer in dieser Preisklasse kein Gut für die Allgemeinheit sein kann, sondern ein Nischenprodukt.
Als eines der ältesten Gewürze der Welt – Pfeffer wird seit 4000 Jahren als Würz- und Heilmittel genutzt – kamen die getrockneten Beeren jahrhundertelang über den langen Landweg, der Seidenstraße, von Indiens Malabarküste nach Europa. Pfeffer war ein Luxusgut, das manchmal sogar beerenweise verkauft wurde. „Gepfefferte Preise“ zeugen vom Wert des Pfeffers, der die Fugger wohlhabender machte als den deutschen Kaiser.
Vasco da Gama sorgte schließlich dafür, dass der Pfefferhandel über den Seeweg schneller und preisgünstiger abgehandelt werden konnte. Das Gewürz wurde im Laufe der Jahre zum Massenprodukt für die Allgemeinheit. Heute kann Pfeffer nur dann überzeugen, wenn er etwas besonders ist. Ein namenloser Standardpfeffer löst keine Begeisterung aus.
Wiederentdeckung des kambodschanischen Goldes
In Kambodscha kam der Pfefferanbau, wie so ziemlich alles andere auch, zunächst durch den Vietnamkrieg und darauf folgend durch die Schreckensherrschaft der Roten Khmer zum Erliegen. Als Pol Pot komplette Städte entvölkerte und Menschen zur Zwangsarbeit auf die Reisfelder schickte, war an Pfefferanbau nicht zu denken. Mit dem Tod von rund einem Drittel der kambodschanischen Bevölkerung ging auch ein Großteil des Wissens rund um den Pfeffer verloren.
Erst in den späten 1990er Jahren war wieder an den Beginn der Produktion zu denken. Mit überlebenden Bauern wurden all das Wissen und Können zusammengetragen und in die Pflanzen gesteckt. Dank der Mischung aus traditionellen Methoden und technischen Erneuerungen kamen die Erfolge.
Als Rankhilfe für die Pfefferpflanzen dienen heute Türme aus Ziegelsteinen. Traditionell wurden Holzbalken verwendet. Doch Termitenbefall und die Tatsache, dass Kambodschas Wälder durch Rodung gefährdet sind, ließen die Plantagenbesitzer auf Stein umsteigen. Mit viel Geduld und guter Pflege wuchs die erste Generation der neuen Pfefferpflanzen nach Kampot-Standard wieder heran. Mittlerweile gibt es die Kampotpflanzen wieder zur Genüge und der Pfeffer gedeiht prächtig.
Masse oder Qualitätsprodukt? Der Pfefferanbau weltweit
Vom Ursprungsland Indien verlagerte sich der Pfefferanbau nach Malaysia, Indonesien, Vietnam, aber auch nach Madagaskar oder Südamerika, wo Brasilien das Hauptanbauland für Pfeffer ist. Vietnam ist dabei weltweit der größte Exporteur. Die meisten, nicht näher benannten Pfeffersorten in deutschen Regalen stammen aus vietnamesischen Plantagen.
Der Unterschied zwischen dem Luxusgut Kampot-Pfeffer und den vietnamesischen oder brasilianischen Pfeffersorten liegt in erster Linie in der Quantität. Mehr als 30 Prozent der weltweiten Produktion kommt aus Vietnam, zwischen 90 und 130 Tonnen Pfeffer pro Jahr entstehen auf großen Plantagen.
Masse statt Klasse zu Lasten der Umwelt
Immer dann, wenn sich das Augenmerk von Qualität auf Masse verschiebt, ändern sich die Anbaubedingungen. Die eingesetzten Pflanzen sind chemisch belastet, Dünger und Pestizide kommen zum Einsatz, der Boden wird durch Monokultur ausgelaugt. Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern macht sich auch beim Geschmack bemerkbar, denn ausgelaugte Böden bringen keine aromatischen Früchte hervor.
Wer einmal ökologisch angebauten, aromatischen Pfeffer probiert hat, wird nie mehr zur bunten Mischung greifen.
Doch für den Normalverbraucher ist auch der Luxuspfeffer kaum eine Alternative. Ein Kampot-Pfeffer kann kein Massenprodukt sein, er wird durch seinen Preis stets ein Luxusprodukt für Liebhaber und die Haute Cusine bleiben. Daran ändert auch kein Hype etwas, denn die Kaufkraft für den Massenanbau fehlt. Ob große Plantagen in Kampot auch in drei oder vier Jahren noch bestehen, ist fraglich.
Doch was macht man als Pfefferliebhaber, der kein Billigprodukt will, sich aber auch den teuren Kampot-Pfeffer nicht leisten kann? Das Zauberwort heißt wie in vielen anderen Fällen auch hier „bio“. Biologisch angebaute Pflanzen in kleinen Betrieben können mit Aroma und Nachhaltigkeit überzeugen. Hochwertige Produkte entstehen auch jenseits des Luxussegments. In ausgewählten Geschäften wie Bioläden oder online findet man nach kurzer Suche entsprechende Alternativen. Es muss ja nicht gleich Champagner sein, wenn es auch der Crémant tut.
Hier einige empfehlenswerte Links:
https://delidia.de/collections/bio-pfeffer
https://www.schwarzerpfeffer.de/
Noch mehr Schärfe: Genussreise Hauptsache scharf
Fotos: Julia Schattauer