Nordlichter (Aurora borealis)

Alaska – Abenteuerland in der tiefen Wildnis des rauen Nordens

Er schließt die Augen und atmet ein. Ganz tief zieht er den eisigen Duft von Freiheit, Einsamkeit und unberührter Natur in Alaska in seine Lungen. So, als wollte er sie archivieren in seiner inneren Sammlung von Abenteuern. Als er seine Augen wieder öffnet, sieht er die Weißkopfseeadler in Scharen über dem Fluss kreisen. Mit kräftigen Flügelschlägen drehen sie ihre Runden, fixieren ihre Beute und setzten an zum Landeanflug. Sie alle haben es auf den Lachs abgesehen, der hier nach dem Laichen am Ufer des Chilkat Rivers verendet. Massen an Lachskadavern nähren tausende Adler und bieten die Grundlage für neues Lebens. Ein groteskes Schauspiel von Leben und Tod, das Jan mit seiner GoPro-Kamera, die um seinem Kopf geschnallt ist, dokumentiert.

Weißkopfseeadler vor schneebedeckten Bergen
Wenn der Weißkopfseeadler kreist, bedeutet das ein grandioses Schauspiel vor schneebedeckten Bergen.

Jan ist berührt und überwältigt. Für ihn ist mit diesem Anblick in der tiefen Wildnis Alaskas ein Traum wahr geworden. Einer von vielen, denn Jan hat mit seinen 29 Jahren noch viel vor. Die unberührte Natur von Yukon und Alaska ist der richtige Spielplatz dafür. Gipfel erklimmen, Wasserfälle bewältigen, Gletscher überqueren, Jan hat schon einiges erlebt. Aber egal, wie viel er auf seiner Wunschliste abhakt, es kommt immer mehr dazu.

Er will seine Grenzen überschreiten, die Welt mit allen Sinnen erleben. Urlaub ist für ihn gleich Abenteuer, denn er ist ein echter Outdoor-Freak. Faulenzen am Strand? Das kommt für ihn nicht in Frage.

Vor nicht einmal einer Woche ist Jan in Whitehorse in Kanada angekommen, doch für ihn fühlt es sich an wie ein halbes Leben, so viel hat er gesehen und erlebt. Whitehorse ist die Hauptstadt des Territoriums Yukon in Kanada. Knapp 27.000 Einwohner hat die Stadt am Yukon River, die nach Stromschnellen benannt wurde, deren Kämme wie die Mähnen weißer Pferde aussahen. So märchenhaft der Ort klingt, er dient eigentlich nur als Ausgangsort der Reise, als Tor zur Wildnis und zum Abenteuer.

Wildcampen direkt am Yukon River
Wildcampen direkt am Yukon River: Da schlägt das Herz jedes Outdoor-Freundes Purzelbäume.

Das kanadische Yukon-Territorium nimmt zusammen mit Alaska den äußersten Nordwesten des amerikanischen Kontinents ein.  Das gesamte Gebiet ist ein Paradies für alle Abenteurer und Outdoor-Enthusiasten. Seit 1959 ist Alaska offiziell der 49. Staat der USA und damit der flächenmäßig größte, westlichste und nördlichste Staat. 1867 wurde das Gebiet für rund 7,2 Millionen Dollar von Russland an die USA verkauft. Die endende Rückkauffrist 1959 macht den Besitz schließlich geltend. Russland, USA, Kanada?

Staatszugehörigkeiten sind in diesem Gebiet so weit weg wie die Zivilisation an sich. Die Naturräume von Alaska und Yukon sind eine geschlossene Einheit, weshalb die Region trotz Staatsgrenze meist vereinfacht als Alaska bezeichnet wird.

Das Gebiet wird von Ausläufern der Rocky Mountains von knapp 3000 Meter Höhe und der südlich gelegenen St.-Elias-Gebirgskette eingerahmt. In Letzterer befinden sich die beiden höchsten Berge Nordamerikas, der Mount Logan mit 5959 Meter in Yukon und der Mount McKinley mit 6195 Meter in Alaska. Zwischen diesen Berglandschaften fließt der Yukon River von Kanada durch Whitehorse über die Grenze nach Alaska, wo er schließlich in die Beringsee mündet.

Eisige Luft, kristallklares Wasser, ursprüngliche Landschaft

15 Stunden Flug und einmal Umsteigen waren nötig, um Jan in eine gänzlich andere Welt hineinzukatapultieren. Nie kam ihm Frankfurt großstädtischer vor als jetzt, wo er die eisige Luft atmet, das kristallklare Wasser der Bergflüsse sieht und die Ursprünglichkeit der Landschaft erlebt. Vielleicht sollte er einfach hier bleiben, sinniert er, ein Leben im Einklang mit der Natur führen, Abenteuer am laufenden Band erleben. Genügend Möglichkeiten gibt es hier im rauen Norden.

Alaska, Hafenansicht
Wasser, Berge, spektakuläre Natur: So einfach lässt sich Alaska zusammenfassen.

Allein in der vergangenen Woche hat er mehr erlebt als im ganzen letzten Jahr, das er in Deutschland abgesessen hat, um das nötige Kleingeld für die nächsten Reisen zu verdienen. Da er seinen eigenen, heiß geliebten Camper nicht nach Kanada mitnehmen konnte, hat er sich gleich nach der Ankunft ein ähnliches Exemplar gemietet. Ohne unnötigen Komfort – aber ausgestattet mit allem, was man braucht, um eiskalten im Winter in Alaska und Yukon von A nach B zu kommen.

Alaska bietet Eisfelder der Superlative

Von Whitehorse aus führte ihn sein Weg über den Alaska Highway in den Kluane-Nationalpark. Hier befinden sich nicht nur die höchsten Berge Kanadas, sondern auch die größten Eisfelder jenseits der Pole. Superlative, die Jans Augen leuchten lassen. Das konnte er sich natürlich nicht entgehen lassen. Also Schneeschuhe angeschnallt und mitten rein in die Schneelandschaft. Die majestätischen Berge umrahmen reißende Flüsse, dunkle Nadelwälder säumen die Täler, bis sie sich in karge Gebirgstundra verwandeln.

Gletschereis im Glacier Bay Nationalpark, Alaska
Eisiges Naturschaupiel: Der Glacier Bay Nationalpark in Alaska.

Seine GoPro-Kamera zeichnete jeden Schritt mit, ohne ihn in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken und ihn mit der lästigen Fotoknipserei aufzuhalten. Das Video könnte ohne Probleme als das neue Werbevideo von Jack Wolfskin durchgehen: Er, der einsame Abenteurer, inmitten von unberührter Natur.

Seine einzige Gesellschaft sind die Tiere, die vereinzelt zwischen den Bäumen oder an den Flüssen zu sehen sind. Wapiti-Hirsche, Biber, Greifvögel. Die Hoffnung, aus der Ferne einen Wolf oder Bären zu erspähen, hat sich bis jetzt noch nicht erfüllt. Auch im Schnee deuteten keine Spuren auf die Gesellschaft der wilden Schönheiten hin. Doch das kann ja noch werden, hofft er zumindest, denn die Bären würde er gerne auch noch von seiner To-See-Liste abhaken.

Braunbären in freier Wildbahn beim Fischfang
Wer Glück hat, sieht in Alaska tatsächlich einen Braunbären in freier Wildbahn.

Das Highlight neben dem Weißkopfseeadler-Spektakel war für Jan bisher der Tag mit den Schlittenhunden. Er hat noch immer das Heulen der Tiere im Ohr. Allein beim Gedanken daran bekommt er eine Gänsehaut. Wer einmal das synchrone Heulen von einem Rudel Huskys gehört hat, weiß, dass dieses Geräusch durch Mark und Knochen geht. Die pure Vorfreude der Tiere, die aufgeregte Spannung in der Luft, das Gefühl von Geschwindigkeit, Freiheit und Action vermischen sich in diesem Klang.

Adrenalinkick auf dem Hundeschlitten

Auf der Farm lernte Jan von den Mushern, das ist der Fachausdruck für die Gespannfahrer, wie man mit den Tieren umgeht, wie die Hunde eingespannt werden und wie der Schlitten gelenkt wird. Die erste Fahrt mit dem Hundeschlitten war Adrenalin pur. Zwischen 20 und 39 km/h erreicht ein Schlitten, der eisige Wind blies ins Gesicht, die Stoppel seines Dreitagebarts waren mit Kristallen überzogen, die Spitzen seiner kinnlangen Haare glichen Eiszapfen.

Zum Glück ist Jan gut mit Outdoor-Kleidung ausgerüstet. Von den massiven Stiefeln über die wetterfeste Jacke und den praktischem Daypack mit Regencover ist er perfekt an die Gegebenheiten angepasst. Stiefel, Mütze und Handschuhe sind für Jan im Urlaub das, was für andere die obligatorische Abendgarderobe oder Strandbekleidung ist.

Kajakfahrerin im Glacier Bay National Park
Für manche Aussichten beim Kajakfahren muss man sich warm anziehen, dafür sind sie unbezahlbar.

Am Abend, als die Hunde verpflegt und die Ausrüstung verstaut waren, ließen sich Jan und die Männer der Hundefarm vom kräftigen Eintopf wärmen, dessen Duft schon bei der Ankunft des Gespanns die gemütliche Blockhütte erfüllte. Fleisch und Kartoffeln bringen die Kräfte zurück und sind Jan lieber als jedes noch so hochwertige Menü im Sterne-Restaurant. Nach so viel Adrenalin und Anstrengung ist ein sättigendes einfaches Mahl in trauter Runde der perfekte Abschluss des Tages.

Wenn der Himmel über Alaska grün leuchtet …

Doch der hohe Norden hielt für den passionierten Outdoor-Fan noch eine Überraschung auf Lager: Als er sein Blick durch das Fenster fiel, sah er den Himmel in bunten Farben leuchten. Gelbe und grüne Streifen bemalten den Nachthimmel wie breite Pinsel eine Leinwand. Trotz Erschöpfung packte sich Jan noch einmal die Jacke und Mütze und betrachtete das Schauspiel der Nordlichter vor der Tür. Ein magischer Anblick. Er zog sich zurück in seine einfache Blockhütte. Dort wartete sein treuer Begleiter auf ihn, sein teurer Thermo-Schlafsack, der ihn selbst in der eisigen Kälte nicht den Dienst verweigert und ihn mollig warm schlafen lässt – egal wo.

Mehr als einen Platz zum Schlafen braucht Jan nicht. Ein Zimmer im Luxus-Hotel mit Fernseher und Minibar? Pure Verschwendung. Am liebsten nächtigt er puristisch. So, dass er sich der Natur nahe fühlt, kein Schnickschnack ihn ablenkt von den Geräuschen der Wildnis.

Die letzten Minuten vor dem Einschlafen nutzt er, um die Erlebnisse des Tages festzuhalten. Ein kleines Tagebuch, dass er vielleicht irgendwann seinem Sohn vermachen will, wenn er alt und zufrieden im Schaukelstuhl sitzt und auf seine Abenteuer zurückblickt. Vielleicht kann er seine Erinnerungen irgendwann einmal als Buch veröffentlichen. Das ist nur so eine Idee, aber der Gedanke daran lässt ihn auf Reisen jeden Abend mit einem zufriedenen Lächeln einschlafen.

Vom Traum der Goldschürfer in Dawson City

Auch einen Ausflug nach Dawson City hat Jan schon hinter sich. Zwar sind Städte eigentlich nicht so sein Ding. Aber ganz im Norden von Nordamerika sind die Maßstäbe anders, hier gibt es zum Glück keine Megacitys. Dawson wäre wohl ein kleines Nest der First Nations geblieben, wäre nicht 1896 eine beachtliche Menge an Gold gefunden worden. Der Goldrausch macht das Städtchen am Yukon berühmt. Es folgten Saloons und Kasinos, ganz in Wild-West-Tradition.

Alaska, Dawson City
Dawson, das bunte, kleine Nest, das durch den Goldrausch berühmt wurde.

Bis heute kann man noch dem Traum der Goldschürfer nachspüren und selbst sein Glück versuchen. Eigentlich sind Stadtführungen und die Inszenierung der Geschichte nicht unbedingt Jans Ding, doch der Spirit der Pioniere und Goldschürfer reißt ihn irgendwie mit, das Abenteuer liegt hier noch immer in der Luft. Er ist froh, dass er das kleine Städtchen besucht hat.

Postkartenkulisse vor den St. Elias Mountains

Heute, am Tag mit den Adlern und den Lachsen, hat Jan auf dem Weg zum Chilkat River den Haines Highway passiert und somit auch die Grenze nach Alaska. Er gilt als einer der schönsten Highways im Norden Kanadas und Alaskas. Hier am Rande der St. Elias Mountains bietet sich mit den vergletscherten Bergen und den Hochplateaus der Tundra eine Postkartenkulisse. Nachdem Jan das Naturschauspiel der Adler und Lachse ausgekostet hat, geht er zusammen mit anderen Outdoor-Fans ins nahegelegene Hafenstädtchen Haines. Dort soll es das beste Fischrestaurant weit und breit geben. Fangfrisch und regional, das ist genau nach Jans Geschmack.

alte Mine im St. Elias National Park, Alaska
Schaurig-schöne Einsamkeit: eine alte Mine im St. Elias National Park.

Am nächsten Tag hat er vor, etwas tiefer in die Kultur Alaskas einzutauchen und mehr über die Ureinwohner zu erfahren. Es ist ihm wichtig, mehr über ein Land zu hören, lesen und spüren, als das, was in den einschlägigen Reiseführern steht. Er will richtig in das Land eintauchen und dazu gehört auch das Wissen über seine Geschichte.

16 Prozent der Bevölkerung Alaskas sind Ureinwohner

Die Ureinwohner Alaskas sind die Aleuten-Indianer, Inupiat, Inuit, Athabascaner, Tsimshain, Tlingit und Haida. Circa 16 Prozent der Bevölkerung Alaskas gehört zur Urbevölkerung. Informationszentren und Ausstellungen erzählen die Geschichte der unterschiedlichen Stämme. Haines ist von der Tradition der Tlingit-Kultur geprägt. Zahlreiche Kunstgalerien präsentieren Schmuckstücke, Drucke, handgeschnitzte Masken und Flechtkörbe.

Das Highlight ist eine Aufführung der traditionellen Tänze. Das Trommeln lässt Jan tief in sich wirken, er klopft mit seinen Händen den Takt mit und klatscht am Ende euphorisch Beifall.

Wie es nun weiter geht, hat Jan noch nicht geplant. Er möchte keine fertige Tour buchen, sondern sich von seinen Eindrücken und Wünschen leiten lassen. Und im Moment steht auf seiner Wunschliste das Abenteuer hoch im Kurs. Er möchte noch aktiver werden!

Alaska-Abenteuer in unzähligen Varianten

Abenteuer sind in Alaska in unzähligen Varianten möglich. In den warmem Monaten stehen Klettern, Wandern, Campen, Rafting und Kanufahren auf dem Programm. Für Tierfans ist im Sommer Saison für Walbeobachtungen. Im Winter, wenn das Thermometer unter Null fällt und Eis das Land bedeckt, geht es neben dem Hundeschlittenfahren zum Snowboarden, Rodeln oder zum Gletscherwandern. Da gilt es, eine Entscheidung zu treffen.

Bevor es wieder nach Hause geht, will sich Jan noch einmal richtig auspowern und hat sich deshalb für Eisklettern entschieden. Natürlich ist Jan ein guter Kletterer, doch die Eisvariante hat er bis jetzt noch nicht ausprobiert. Wieder ein Punkt, der auf der Liste gestrichen werden kann. Adrenalin und an die körperlichen Grenzen gehen: genau das, was er jetzt braucht. Erst, wenn er das Kribbeln in seinem Körper spürt, fühlt er sich so richtig lebendig.

Herbstfarben im Denali Nationalpark
Alaska hat zu jeder Jahreszeit seinen Charme, wie hier im Herbst im Denali Nationalpark.

Eines ist Jan jetzt schon klar: Er will im Sommer noch einmal nach Alaska kommen. Dann möchte er den Denali Nationalpark besuchen, Wale sehen und eine zweiwöchige Kanutour machen. In einer kleinen Gruppe will er er sich ganz dem wilden Yukon River ausliefern und von Carmacks bis nach Dawson City paddeln. Die Nächte wird er dann im Zelt verbringen oder am besten direkt unter dem grandiosen Sternenhimmel Nordamerikas.

Dieser Text stammt aus unserer Reihe „Reisetypen“, in der wir verschiedene fiktive Reisecharaktere und ihre ganz besonderen Eigenheiten vorstellen – gern auch mit einem Augenzwinkern . Welcher Reisetyp bist du? Schreib es uns in den Kommentaren!

Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphotos.com/Stephan Pietzko
Weißkopfseeadler: © Depositphotos.com/Сергей Урядников
Yukon River: © Depositphotos.com/Stephan Pietzko
Hafen: © Depositphotos.com/Natividad Castillo Gonzalez
Glacier Bay: © Depositphotos.com/Andrea Izzotti
Braunbären: © Depositphotos.com/Galyna Andrushko
Kajak: © Depositphotos.com/Sergey Yechikov
Dawson: © Depositphotos.com/Natalia Bratslavsky
St. Elias Nationalpark: © Depositphotos.com/Michele Cornelius
Denali Nationalpark: © Depositphotos.com/Simone Winkler