Der Blick auf das Kolosseum in Rom, der Anblick des Pariser Eiffelturms oder das Brandenburger Tor in Berlin: Es sind die Wahrzeichen der Städte, die einen Städtetrip erst so richtig rund machen. Wenn man zum ersten Mal die Top-Sehenswürdigkeiten erblickt und ein Foto knipst, dann erst hat man das Gefühl: „Ich bin da“.
In Prag ist dies auf der Karlsbrücke der Fall. Oder auf der Prager Burg und noch beim Anblick der astronomischen Uhr am Rathaus. Sagen wir es so: Prag hat viele Orte, die das ultimative Prag-Gefühl aufkommen lassen.
Apostel und Astronomie am Altstädter Ring
Genau dieses Prag-Gefühl, das wollen alle Besucher. Die Folge? An Orten wie Karlsbrücke oder Rathaus geht es vor allem in der Hauptsaison hoch her. Im Gänsemarsch läuft man über die Brücke.
Um das Glockenspiel zur vollen Stunde sehen zu können, muss man entweder groß oder früh da sein. Lohnt sich das Glockenspiel zwischen all den anderen Touristen? Nicht unbedingt.
Für alle, die aber wenigstens mit Wissen glänzen wollen, hier die Kurzfassung: Auf den Glockenschlag kommen aus der Tür über der großen Uhr die zwölf Apostel und der Tod als Skelett herausspaziert. Ein bisschen nettes Gewackel, dann ist es mit dem Hahnenschrei auch wieder vorbei. Kann man machen, muss man aber nicht.
Die Erzählung dahinter ist durchaus hörenswert. Der Uhrmacher Hanus wurde nach Vollendung seines Meisterwerkes Ende des 15. Jahrhunderts mit einem glühenden Schwert geblendet, vielleicht wurden ihm auch die Augen ausgestochen. Kein zweites Werk, das dieses in den Schatten stellen könnte, sollte durch seine Hand entstehen. Aus Rache schleppte sich Hanus zur Uhr und sorgte dafür, dass sie stehen bleibt. Dass die ganze Geschichte nur eine Legende ist, tut nichts zur Sache, Touristen und EInheimische lieben die Geschichte so oder so.
Die Uhrzeit zu erkennen, ist auf der Rathausuhr übrigens gar nicht so einfach. Die Astronomische Uhr, die zur Erbauungszeit als Wunder galt, zeigt nämlich einiges mehr: die Bewegung von Sonne und Mond. Und gleich vier verscheiden Zeiten, nämlich die Altböhmische, die Mitteleuropäische Zeit, die Babylonische Zeit und die Sternzeit mit den Tierkreiszeichen. Der Blick auf die Uhr ist somit auch ohne Glockenspiel durchaus imposant.
Egal, ob man sich nun das Glockenspiel ansieht oder nicht. Am Rathaus angekommen, ist man schon mittendrin im historischen Zentrum. Der Altstädter Ring, der zentrale Marktplatz, ist der Mittelpunkt der Altstadt. Neben dem Rathaus säumen die Teynkirche, das Palais Kinský oder das Haus „Zur Steinernen Glocke“ den Platz.
Während die unterirdischen Grundmauern bis in romanische und gotische Zeiten zurückgehen, dominieren auf der Oberseite Gebäude aus Renaissance, Barock und Rokoko die Umgebung.
Prag ist nicht nur eine der ältesten Städte in Mitteleuropa, sie wurde im Zweiten Weltkrieg kaum zerstört. Der Bummel entlang der Prachtfassaden lohnt sich also besonders. Satt rekonstruierte Gebäude sieht man hier die Originale.
Das Praggefühl zur Nebensaison
Der Altstädter Ring ist ein Platz zum Verweilen – trotz oder gerade wegen der Touristen. Wer sich hier in eines der vielen Cafés setzt und einfach die Atmosphäre auf sich wirken lässt, bekommt ein erstes Gefühl dafür, was Prag ausmacht. Der versteht schon jetzt ein wenig, warum es die Massen immer und immer wieder hierher lockt.
Die Touristen vor der Uhr, Straßenkünstler, riesige Seifenblasen, tolle Fassaden und am Abend Grüppchen, die sich einfach mitten auf den Boden setzen, ein heimisches Bier in der Hand und plaudern. Aus der Entfernung mit einem Gläschen Staropramen oder Pilsner Urquell in der Hand ist das Treiben amüsant.
Im Sommer geht es hier lebhaft zu und ein kleines bisschen fühlt man sich nach Italien versetzt. Doch auch im Winter, wenn der Platz ruhiger ist, lohnt sich das Verweilen. Man sucht sich ein schönes Café, genießt eine heiße Schokolade und schaut aus der warmen Stube ganz entspannt hinaus. Atmosphäre aufsaugen, das geht hier ganz hervorragend. Dabei ist das Wetter höchstens eine Randnotiz.
Prag ist keine Stadt, die gutes Wetter braucht, im Gegenteil. Zum echten Prag gehört auch ein wenig Grau.
Es gibt wenige Städte, die ihren Reiz vor allem dann ausspielen, wenn eben nicht blauer Himmel über den Dächern zu sehen ist und Eisdielenwetter herrscht. Venedig ist so eine Stadt, Wien oder London ebenfalls.
Und eben auch Prag. Prag ist eine Geheimtipp-Stadt für den Herbst. Dann, wenn sich die großen Touristenmassen verzogen haben, die Laternen die Altstadt in warmes Licht tauchen, dann ist Prag in Höchstform.
„Die Goldene Stadt“ bekommt an einem Herbstabend, wenn sich das letzte Sonnenlicht in den nassen Straßen spiegelt, eine ganz andere Bedeutung. Es ist die Melancholie, die Prag besonders gut zu Gesicht steht. Und das wahre Praggefühl ausmacht. Schuld daran mögen Protagonisten wie Kafka sein, Legenden wie der Golem und Orte wie das Goldene Gässchen.
Die Karlsbrücke ist so ein belebter Ort, an dem sich der Unterschied zwischen Hauptsaison und Nebensaison ganz besonders deutlich zeigt. Erst im nebelverhangenen Herbst oder zumindest abends, wenn die Tagestouristen wieder in ihrem Bus sitzen, lohnt sich der Gang über die berühmteste der 13 Moldaubrücken und eine der ältesten erhaltenen Steinbrücken Europas.
Die Karlsbrücke mit ihren 30 Heiligenstatuen verbindet die Altstadt mit der Kleinseite unterhalb der Prager Burg. Von hier aus hat man einen wundervollen Blick auf die beleuchtete Burg und das Glitzern der Moldau. Ein besonderes Highlight wartet in der Adventszeit. Dann werden die mit Gas betriebenen Laternen von einem Nachtwächter entzündet.
Was wäre Prag ohne seine Geschichten?
Von der Brücke führt der Weg zur Kleinseite und dem Berg Hradschin mit der Prager Burg. Touristen hin oder her, dem Burgareal muss man zumindest einmal einen Besuch abgestattet haben. Wer vor 12 Uhr mittags auf dem Gelände ist, kann den Wachwechsel beobachten.
Die Burg ist über 1000 Jahre alt, das größte geschlossene Burgareal der Welt und noch heute Residenz des Präsidenten. Den schönsten Blick über die Altstadt hat man vom Turm des Veitsdoms.
Wer genug in die Burggeschichte abgetaucht ist, der verlässt das Gelände am besten durch das Goldene Gässchen, das entgegen seines Namens ziemlich bunt daherkommt. Das berühmteste der Handwerkshäuschen ist die Nummer 22, wo Franz Kafka eine zeitlang bei seiner Schwester wohnte. Woher das Goldene Gässchen seinen Namen hat? Der Legende nach haben hier Alchemisten Gold hergestellt – und das aus dem Stein der Weisen.
Jüdische Kultur an jeder Ecke
Sechs Synagogen, ein geheimnisvoller Friedhof und einige Legenden – das ist das jüdische Viertel Josefov. Die jüdische Kultur und die tragische Geschichte zeigt sich in einer der am besten erhaltenen jüdischen Viertel der Welt. An jeder Ecke.
Der Alte Jüdische Friedhof ist ein Ort der Ruhe. Hier stapeln sich die Grabsteine aus Platznot bis zu neunfach übereinander und die Geschichte scheint aus allen Poren der Steine zu tropfen. Auch wenn der Friedhof einen stolzen Eintritt von um die 12 Euro kostet, ist der Besuch lohnenswert.
Unter den vielen Grabsteinen befindet sich auch der von Rabbi Löw, der im 16. Jahrhundert ein ganz besonderes Wesen erschaffen haben soll, den Golem. Dieses Wesen aus Lehm gilt als Vorgänger von Frankensteins Monster und soll auf dem Dachboden der Synagoge gelebt haben.Was wäre Prag nur ohne seine Geschichten, seine Legenden und Erzählungen?
Ein Hoch auf die deftige tschechische Küche
Ein Städtetrip ist nichts ohne die lokale Küche. Schweinefleisch, Speck, Schmalz, Knödel. Nach all dem Sightseeing lässt sich die Kultur der böhmischen Küche ganz entspannt entdecken.
Die tschechische Küche ist deftig, nicht gerade vegetarierfreundlich, aber einfach Kulturgut. Genauso steht es um das Bier. Tschechien ist das Bierland Nummer eins. Wer beides verbinden will, der geht zum Beispiel in das Brauereihaus „Pivovarský dům“. Im Haus befindet sich das Forschungsinstitut für Brauwesen, kein Wunder, dass man hier hervorragendes Bier aus der hauseigenen Brauerei bekommt.
Dazu gibt es im Restaurant böhmische Klassiker. In großen Portionen kommen die Teller auf den Tisch. Als Vorspeise eine Sauerkrautsuppe, dann Lendenbraten, der mit ausreichend Soße bedeckt ist und natürlich Knödel. Das deftige Essen kommt nicht von ungefähr, schließlich soll es als Grundlage für einen bierfreudigen Abend dienen. Selten sind Kulturerfahrungen so schmackhaft und süffig wie in Prag.
Kultur entdecken bei Nacht
Altstadt, Burg, Josefov, am Abend ein Ballett: Das sind die Klassiker eines Prag-Trips und das mit gutem Grund. Sie machten Prag nicht nur zu Weltkulturerbe, sondern zu einer der wichtigsten Kulturreisestädte Europas. Das Besondere an Prag ist, dass man neben den Klassikern noch so viel mehr erleben kann
Das gilt vor allem für das Nachtleben. Zum Leidwesen der Bewohner hat sich Prag vor allem als günstiger Partyort für Junggesellenabschiede und Abifahrten etabliert. Billiges Bier, viele Clubs, was will man mehr? Doch glücklicherweise hat Prag mehr zu bieten als Clubs zum Eskalieren.
MeetFactory, das besondere Kulturzentrum
So ein Ort ist die MeetFacory. Bereits 2001 wurde die MeetFactory in einer leerstehenden Fleischfabrik gegründet, damals noch im Stadtteil Holesovice. Das Hochwasser 2002 zerstörte die Ambitionen der jungen Kreativen, hier ein Kulturzentrum zu etablieren.
Heute befindet sich die MeetFactory in einer Industriehalle im ehemaligen Arbeiterviertel Smichov. Drei Etagen werden hier mit Ausstellungen, Ateliers, Konzerträumen, Studios und Partyräumen mit Leben gefüllt.
Hier trifft sich die kulturelle Elite der nächsten Generation. Schwarzgekleidet, die Frisuren up to date, man könnte ebensogut in Berlin sein.
Vielleicht ist diese Gefühl nicht so abwegig, denn Theateraufführungen, Konzerte und Kinofilme werden hier in Zusammenarbeit mit dem deutschen Goethe-Institut und dem Berliner Künstlerhaus Bethanien initiiert. Eine fruchtbare Zusammenarbeit, die auf dem Programm eines jeden Kulturinteressierten stehen sollte.
Der Cross Club, ein Gesamtkunstwerk
Wer feiern gehen will, der ist auch im Cross Club in Holesovice an der richtigen Adresse. Dass der Club jenseits von Mainstream und nicht nur ein weiterer Elektro-Schuppen ist, zeigt sich auf den ersten Blick. Futuristische Maschinenteile, Skulpturen aus ausrangierten Stücken – und das bevor Upcycling Trend wurde – machen den Cross Club zum Gesamtkunstwerk.
In erster Linie lässt es sich auf mehren Etagen gut tanzen. Musik aller Genres, bunt gemischtes Publikum in einer Kulisse, die wie aus einer andere Welt zu kommen scheint, das macht den Cross Club aus.
Doch der Club hat noch mehr zu bieten. Konzerte, Theater und Lesungen runden das kulturelle Programm ab. Das bunte Erscheinungsbild erinnert an einen Rummelplatz, wo man zwar keine Zuckerwatte kaufen, aber einfach für ein paar Stunden die Welt um sich vergessen kann. Jenseits von grölenden Junggesellen.
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Altstädter Ring: © Depositphotos.com/Sergii Figurnyi
Straßenmusikanten: © Depositphotos.com/Ryhor Bruyeu
Prager Burg im Winter: © Depositphotos.com/Michaela Dusikova
Goldenes Gässchen: © Depositphotos.com/Vadym Kulykov
Jüdischer Friedhof: © Depositphotos.com/dnaveh
Bier mit Aussicht: © Depositphotos.com/Pavel Kavalenkau