Rubrik Fremd gelesen bei taz
In Berlin kann man über die App eines kommerziellen Anbieters ein Lastenfahrrad in der Nähe holen und am Ziel wieder abstellen.
Wo ist denn hier jetzt der QR-Code? Kurzzeitig droht der Selbstversuch im Lastenrad-Sharing an einem Straßenrand in Berlin-Friedrichshain daran zu scheitern, dass der Autor das Pixel-Quadrat nicht finden kann. Dabei muss er es doch laut der App des Anbieters Avocargo scannen, um die Miete zu starten. Zum Glück wird er dann doch noch fündig: Der Code hat sich unter dem oberen Rand der königsblauen Plane versteckt, die den Transportkasten des Dreirads vor Regen schützt.
Trike wird dieses Cargobike-Modell – hinten ein Rad, vorne zwei und zwischen ihnen eine Transportbox – auch genannt. Es ist dieselbe Bauart wie die des Klassikers von Christiania, nur dass die dänische Firma keine Lenker, sondern durchgehende Bügel verbaut. Es gibt auch andere, mittlerweile weit verbreitete Typen, vor allem die schnittigen zweirädrigen Long Johns, es gibt Lastenräder mit und ohne elektrische Unterstützung, aber dazu später mehr.
Während sich Autos, Fahrräder, E-Mopeds und Scooter schon länger auf dem Sharing-Markt der Hauptstadt tummeln, ist mit Avocargo erst im März 2021 ein kommerzieller Anbieter von Lastenrädern (oder: Cargobikes) eingestiegen. Bislang beschränkt auf einen recht überschaubaren Geschäftsbereich in den Berliner Stadtteilen Prenzlauer Berg und Friedrichshain, plant das Start-up schon seine Expansion in andere Teile der Hauptstadt.
Die derzeit 110 E-Räder werden nach dem „Free-Floating“-Prinzip angeboten, sprich: Man holt sie sich dort, wo sie gerade stehen, und kann sie nach der Nutzung anderswo zurücklassen. Cargobike-Sharing sei „die wahre Revolution der Mobilität“, schreibt Avocargo-Geschäftsführer Matti Schurr im Unternehmensblog.
Großeinkauf ohne Auto möglich
Im taz-Gespräch erklärt er, was er damit meint: Es gebe schon viele Alternativen, eine Person von A nach B zu bringen, so Schurr, lange gefehlt habe aber ein Mietangebot „mit der Bandbreite, die ein Auto ermöglicht“: nämlich einen größeren Einkauf, ein Kind oder den Hund zu transportieren – ohne ein Auto zu sein.
Sich ein Lastenrad zu kaufen komme für viele Menschen nicht in Frage, sagt Schurr. Die Fahrzeuge seien recht teuer, gleichzeitig sei es oft nicht leicht, einen sicheren und leicht zugänglichen Abstellplatz dafür zu finden. „Ein Fixie trage ich locker in den zweiten Stock, das geht mit einem Cargobike nicht.“ Die Avocargo-Lösung: ein Lastenrad, wenn man’s grade braucht, oder – im Start-up-Sprech – für den „temporären Use Case“.
Dass das eine gute Idee ist, finden offenbar auch InvestorInnen: Bei einer Vorab-Finanzierungs-Runde im November konnte Avocargo eine siebenstellige Summe einstreichen. Einer der Geldgeber ist EIT Inno Energy, ein europäischer Investor in Klimatechnologien. Dessen deutscher Geschäftsführer Christian Müller glaubt, dass elektrische Lastenräder „künftig eine tragende Rolle in unserem städtischen Transportmix spielen: sie fahren emissionsfrei, sparen Platz, sind kostengünstig und für eine große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten geradezu prädestiniert.“
Umsonst durch die Großstadt radeln
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