Eine breite Straße, immer geradeaus. Rechts und links davon karge Weite, am Horizont erheben sich rot-braune Hügel. Man könnte die Fahrt mit dem Jeep zum Namib-Naukluft-Nationalpark monoton nennen.
Doch es ist genau die karge, scheinbar endlose Weite, an der man sich nicht sattsehen kann. Wir befinden uns mitten in Namibia und auf einer Reise zu den Ursprüngen. Folgen wir einer kleinen Gruppe Touristen auf ihrem Wüstenabenteuer.
Erste Berührung mit der Wüste
Der erste Stopp der Reise ist Sesriem. Man könnte es Wüstenstadt nennen. Doch viel mehr als ein Camp ist der Ort mitten im Sand nicht. Nach der Anreise beziehen die Touristen ihre Lodges. Schon vom ersten Anblick versprühen diese einen Hauch von Abenteuer.
Und damit ist nicht die Art von abenteuerlichen Unterkünften gemeint, wie beispielsweise in Indien, bei denen man nicht sicher ist, was alles unter der Matratze und im Badezimmer lebt.
Es ist die Art von Abenteuer, die man sich zuhause ausmalt. Mit Safarihut und Fernglas. Die Lodges selbst sind in ihrer Einfachheit luxuriös. Naturmaterialien, Himmelbett, Pool und allen voran: Unberührte Natur direkt vorm Fenster.
Am Ende des ersten Tages gilt es, die ersten Eindrücke von Namibia sacken zu lassen: die Hitze, die karge Landschaft und die Vorfreude auf das, was kommen mag. Und bei was kann man besser ankommen, als beim Anblick eines Sonnenuntergans über der Wüste? Wer diesen Zauber erlebt, ist schon mittendrin im Namibiaerlebnis.
Am nächsten Morgen beginnt die Reise ziemlich früh. Das schnelle Frühstück gibt es noch im Dunklen, dann geht es in den Jeep. Es ist noch frisch am frühen Morgen und die Gruppe sitzt kollektiv in Decken gehüllt im Auto. Eine Stunde dauert die Fahrt. Auf der Tagesordnung stehen die Highlights des Namib-Naukluft-Nationalparks: Sonnenaufgang, Sossusvlei und Deadvlei.
Sossusvlei und Deadvlei: Wandernde Dünen
Der Nationalpark liegt zu großen Teilen in der Namib-Wüste in Westafrika. Sie erstreckt sich über Gebiete von Namibia und Angola. Mit rund 80 Millionen Jahren ist sie die älteste Wüste der Welt und das sieht man ihr an. Die rot-orange Farbe wird durch das Eisenoxid im Sand hervorgerufen, das über Jahrmillionen oxidiert und sich rot verfärbt.
Je intensiver das Rot einer Düne, desto älter ist sie. Der Namib-Naukluft-Park mit knapp 50.000 Quadratkilometer Wüstenfläche grenzt im Norden an die Skelettküste und im Süden an Diamantensperrgebiet. Im Osten wird der Park durch privates Schutzgebiet begrenzt.
Punkt eins auf der To-See-Liste ist die wohl am meisten fotografierte Düne Namibias. Kein Wunder, sie ist gewaltig in ihren Ausmaßen, direkt am Eingang des Nationalparks und freundlicherweise leicht begehbar. Das trifft sich gut, denn von hier oben wollen unsere Touristen den Sonnenaufgang erleben.
Der Himmel wird bereits heller, als sie sich nach einem kurzen Marsch auf dem Dünenkamm positionieren. Und dann lüftet sich der Theatervorhang und es heißt: Bühne frei für den Wüstensonnenaufgang. Ein Spektakel, das sich nicht in Worte fassen lässt. Rot überall und spätestens jetzt versteht jeder, was es mit dem Ausdruck auf sich hat: Die Wüste brennt.
Ohne Allrad geht nichts
Nach dem majestätischen Einstieg in den Tag geht es weiter. Unsere Gruppe fährt, bis sich ein Parkplatz nähert. Von hier geht es nur mit Allradantrieb weiter, alle anderen steigen in Shuttles um. Unsere Truppe fährt weiter. Solange, bis auch hier der Sand zu weich wird und es heißt: Aussteigen.
Sie sind angekommen zwischen Sossusvlei und Deadvlei. An dieser Stelle verläuft der Tsauchab-Fluss, zumindest in der Theorie. Denn nur wenn es regnet, füllt sich der Fluss mit Wasser – und das passiert oft jahrelang nicht. Wenn sich langanhaltende Regenfälle in der Region ergießen, dann bringt der Tsauchab Wasser aus dem Landesinnern bis zum Sossusvlei, der Tonpfanne, die sich hier erstreckt. Dann bildet sich eine Pfütze, die durch die Hitze am Tag wieder verdunstet.
„Sossus“ beschreibt einen blinden Fluss, „Vlei“ die Ton-Pfanne, so erklärt sich auch der Name des Tales, denn hier endet der Fluss und verschwindet im Sand der Wüste. Wenn sich kein Wasser im Sossusvlei befindet, sieht man einen charakteristischen hellen Fleck.
Sechs Kilometer gen Osten liegt das Deadvlei. Tot ist hier vor allem eines: die Flora. Da der Fluss seinen Lauf änderte, gab es kein Wasser mehr. Inmitten der von Sanddünen umgebenen Senke stehen nun unzählige abgestorbene Akazienbäume wie unheilvolle Skelette. Filmreif. Wer mühevoll im Gedächtnis stöbert, woher er diese Landschaft kennt: Für den Film „The Cell“ diente das Deadvlei als Kulisse.
Big Daddy wird zur Kraftprobe
Über dem Tal thront „Big Daddy“, mit rund 50 Metern eine der höchsten Dünen des Landes – oder vielleicht die höchste?
So genau weiß das keiner, denn bei Wanderdünen ist kein Tag wieder andere. Wo heute noch Ebene war, ist morgen Berg.
Mal ist die eine Düne höher, dann wieder die andere. Bis zu zehn Meter wandern die Dünen im Jahr.
Wer „Big Daddy“ bezwingen will, braucht Ausdauer, das merken auch unsere Besucher. Wo der Anfang des Aufstieges noch leicht erscheint, werden die letzten Meter bei steigender Hitze zur Kraftprobe. Daher ist ein Aufstieg nur am frühen Morgen mit ausreichend Wasser ratsam. Alles andere wäre ein Himmelfahrtskommando. Wer oben ist, wird belohnt: 32.000 Quadratkilometer Wüste und ein Farbrausch in Orange, Braun, Rot. Für den Kontrast sorgt das Blau des Himmels.
Die einzigen Gewächse, die das Orange durchbrechen und von Leben zeugen sind Kameldornbäume und vereinzelte kleine Büsche. Doch so lebensfeindlich wie sie scheint, ist die Wüste nicht. Es gibt Tiere, die sich an die Umstände anpassen konnten. Wer Glück hat, sieht Springböcke, Oryxantilopen, Echsen und Käfer, die hier ihren Lebensraum gefunden haben. Der Tag endet am Sesriem-Canyon mit dem Blick auf atemberaubende Felsformationen.
Ostseefeeling in Namibia
Ein paar Tage später geht es für die Reisegruppe ans Meer, genauer gesagt nach Swakopmund an der Atlantikküste. Es wirkt ein wenig so, als wäre man im falschen Film. Fachwerkhäuser, Jugendstilbauten und Hotels namens Eberwein erinnern eher an ein deutsches Ostseebad als an eine afrikanische Stadt.
Swakopmund trägt unverkennbar die deutsche Handschrift der Kolonialzeit, hat dadurch aber ein ganz einzigartiges Flair. Um einen Eindruck vom Charme des-Städtchen zu bekommen, spaziert unsere Gruppe an der Promenade vorbei und zum Pier, wo sich heute ein Restaurant befindet. In der Stadt könnte man gemütlich ein paar Stunden vertrödeln, doch auf dem Programm steht etwas anderes: Mondesa.
Mondesa ist das Township im Nordosten der Stadt. Eine breite Straße führt in das am schnellsten wachsende Viertel Swakopmunds. Immer mehr kleine verstaubte Wellblechhütten schießen aus dem Boden. Manche Wände sind bunt angemalt, andere bleiben grau. An den Wäscheleinen trockenen bunte T-Shirts und Hosen in der Sonne. Staub glitzert in der Luft.
Würmer essen auf dem lokalen Markt
Wo kann man das Leben der Einheimischen am besten beobachten? Richtig, auf dem lokalen Markt. Zusammen mit einem einheimischen Guide geht es zu den Ständen am Straßenrand. Dicht an dicht stehen sie nebeneinander, bieten Gemüse und Fleisch, aber auch Dinge für den Haushalt oder Souvenirs für die Touristen an.
Auf den Märkten sieht man, was die Einheimischen essen. In Namibia ist es der wilde Spinat, der in großen Schüsseln bereit liegt. Es ist der beliebte Trockenfisch, der auf Planen in der Sonne trocknet und es sind die Mopane-Würmer, die es an jeder Ecke zu kaufen gibt. Ein paar unserer Tourteilnehmer trauen sich und nehmen einen Wurm in die Finger.
Ein kritischer Blick, kurz riechen und dann mit einem Happs in den Mund. Nicht kauen, einfach runter damit.
Und ja, so schlimm scheint es nicht zu sein. Auch wenn es die abendlichen Erdnüsse vor dem Fernseher wohl nicht ersetzen wird.
Auf was die Einheimischen besonders stolz sind: Halsketten, mit Fruchtkernen und Eierschalen vom Strauß verziert. Soziale Einrichtungen kümmern sich darum, dass arbeitslose Jugendliche in die Kunsthandwerkstraditionen eingearbeitet werden. Ein doppelter Gewinn: Ausbildungsplätze für Jugendliche und Wahrung der Kultur. Und für die Touristen ein schönes Andenken an die Reise.
Wenn Alter unvorstellbar wird – Versteinerte Bäume und Petroglyphen
Kultur, wenn auch viel ältere, ist das große Thema beim nächsten Stopp dieser Namibiareise. In Twyfelfontein finden sich über 2500 Felszeichnungen und Felsgravuren, sogenannte Petroglyphen. Wie alt sie sind ist nicht geklärt. So kann keine genauere Angabe gemacht werden, als dass die Bilder zwischen 1000 und 10.000 Jahre alt sind.
Ab einem gewissen Alter spielen Zahlen keine Rolle mehr. Wenn die Vorstellungskraft versagt kommt einem nur noch eines in den Sinn: „Wow“.
Die San, Buschleute und Ureinwohner Namibias gravierten Antilopen, Zebras, Giraffen und Löwen mit Quarzsplittern in die Steine. Sogar eine Robbe befindet sich unter den Gravuren und das, obwohl das Meer 100 Kilometer entfernt ist. Um die Zeugnisse dieser alten Kultur zu bewahren, wurde das Tal 1952 unter Denkmalschutz gestellt. 2007 wurden die Felsgravuren von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
Doch sind wir ehrlich: Nach so vielen Tagen in Namibia wollen alle in der Gruppe die wilden Tiere nicht nur als Gravur, sondern live und in Farbe erleben. Auf dem Weg zum Etosha-Nationalpark machen die Reisenden noch einen Zwischenstopp im „Versteinerten Wald“. Rund 30 Kilometer westlich der Stadt Khorixas liegen 60 versteinerte Baumstämme, die auf dem Urkontinent Gondwana vor rund 280 Millionen Jahren gewachsen sind. Mit der Gletscherschmelze am Ende einer der Eiszeiten wurden sie mit einer gigantischen Flut an ihren heutigen Ort geschwemmt.
Auf der Suche nach den Big Five
Im Etosha-Nationalpark ist es dann endlich soweit: Bei eine Safari bei Sonnenaufgang macht sich die Truppe auf die Suche nach den Big Five. Die fünf wichtigsten Wildtiere Afrikas – Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard – wollen heute gesichtet werden, oder zumindest ein Teil davon. Dafür geht es im Jeep und ausgestattet mit Safarihut und Fernglas zu einem Wasserloch, wo sich die Tiere zum Trinken versammeln.
Und tatsächlich: Schon aus der Ferne sieht man die großen Dickhäuter, die am Wasser stehen. Neben den Elefanten sind auch Löwen vor Ort. Sie lassen sich bei ihrer Erfrischung nicht stören.
Das sind die Erlebnisse, die bei Reisen in Afrika immer und immer wieder für Gänsehautmomente sorgen. Es sind die Begegnungen mit wilden Tieren, mit uralten Kulturen und einer unwirklichen Landschaft.
Wer bei einer Safari die Big Five nicht zusammen bekommt, der muss sich nicht sorgen. Diese Reise war nicht die letzte. Wer einmal sprichwörtlich Blut geleckt hat, der kommt immer wieder. Das wissen auch unsere Urlauber. Sie wollen die Big Five bei der nächsten Reise abhaken und noch so viel mehr, was Namibia und seine Nachbarländer zu bieten hat …
Bildnachweis:
Titelbild: © Depositphotos.com/Дмитрий Пичугин
Wüsten-Lodge:© Depositphotos.com/Oleg Znamenskiy
Düne: © Depositphotos.com/Anuphan Sukhapinda
Deadvlei: © Depositphotos.com/Hannes Thirion
Swakopmund: © Depositphotos.com/ Vadim Nefedov
Felsgravuren: © Depositphotos.com/Felix Lipov
Safari: © Depositphotos.com/Zdeněk Malý