Russische Touristen

Rubrik Fremd gelesen in der taz

Der erste Kriegssommer in Russland unterscheidet sich nur in einem von allen vorherigen: Die Menschen fahren jetzt weniger ins Ausland und entscheiden sich stattdessen für einen günstigeren Urlaub im eigenen Land oder in Ländern, in die man jetzt noch fahren kann. Beliebt bei russischen Touristen ist der Kaukasus.

In der Republik Nordossetien-Alanien, wo ich lebe, hat es seit Sowjetzeiten nicht mehr so viele Touristen gegeben. Sie sind überall – in der Hauptstadt Wladikawkas laufen sie in Gruppen von 10 bis 15 Leuten herum, fotografieren sich vor den Sehenswürdigkeiten. Kurz: Sie verhalten sich wie normale Touristen überall auf der Welt. Aber in den Kaukasus fährt man nicht, um in der Stadt herumzulaufen. Man kommt hierher, um sich in den Bergen zu erholen.

Die touristische In­fra­struktur, die zuvor hauptsächlich auf die hiesigen Erholungssuchenden ausgerichtet war, erwies sich als unzureichend für einen derartigen Besucherstrom, weshalb die Hotelinhaber die Preise angehoben haben. Einheimische Touristen können sich den Urlaub hier darum kaum noch leisten. In Ossetien liegt das Durchschnittsgehalt bei 30.000 Rubel, umgerechnet etwa 500 Euro, eine Woche Urlaub kostet circa 20.000 Rubel pro Person. Darum trifft man in diesem Jahr mehr Touristen aus anderen Gegenden als Bewohner unserer Republik.

Aber trotz der hohen Preise gibt es nicht genügend Ferienunterkünfte. Und so nutzen Touristen aus anderen Regionen Russlands Nordossetien auch als Durchgangsort. Von hier kommt man besonders leicht nach Georgien, wo die touristische Infrastruktur um ein Vielfaches besser ist. Georgien beteiligt sich nicht an den Sanktionen gegen Russland, deshalb ist es kein Problem, dort hinzukommen. Zwei Autostunden vom Flughafen Beslan, und schon ist man in Tiflis.

Außerdem ist wegen der großen Anzahl von Migranten aus der Russischen Föderation Georgien jetzt vermutlich das russischsprachigste Land der Welt, nach Russland. Russische Touristen können sich dort wie zu Hause fühlen. Und das, obwohl Georgien mit Russland wegen dessen Anerkennung von Südossetien und Abchasien streitet – die Georgien als seine Gebiete betrachtet.

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Titelbild: © Depositphoto – Sergei Afanasev